In Österreich wächst der Unmut über eine geplante Richtlinie, nach der sich möglicherweise Juden im Bundesland Niederösterreich zur Abholung von koscherem Fleisch registrieren lassen sollen (Symbolbild). Foto: dpa

Juden und Muslime achten aus rituellen Gründen auf koscheres Fleisch. Dazu muss das Tier ausbluten. Die FPÖ in Niederösterreich will das Schächten einschränken.

Wien/St. Pölten - In Österreich wächst der Unmut über eine geplante Richtlinie, nach der sich möglicherweise Juden im Bundesland Niederösterreich zur Abholung von koscherem Fleisch registrieren lassen sollen. „Diese Registrierung erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte“, sagte SPÖ-Chef und Ex-Kanzler Christian Kern am Mittwoch. Kern forderte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, sein „dröhnendes Schweigen“ zu Attacken der FPÖ auf die Grundsäulen der Republik zu beenden. Eine Registrierungspflicht für Juden auch nur anzudenken, ist aus Sicht des SPÖ-Geschäftsführers Max Lercher ein „ungeheuerlicher Tabubruch“.

Der im Bundesland Niederösterreich für den Tierschutz zuständige Landesminister Gottfried Waldhäusl (FPÖ) will das Schächten von Tieren eindämmen. Dazu beruft er sich auf einen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom März 2018. Darin werden Vorschriften für das Schächten und die Erhebung des Bedarfs an koscherem Fleisch anhand konkreter Personen festgelegt. Der Beschluss wiederum fußt nach Angaben der Landesregierung auf einem Erlass von 2017 des damaligen Landesministers Maurice Androsch (SPÖ).

Waldhäusl betonte am Mittwoch, dass er umsetze, was unter dem SPÖ-Minister Androsch begonnen wurde. Androsch wies diese Darstellung zurück. Sein Vorstoß von damals habe nichts mit Listen zu tun, sondern nur mit generellen Voraussetzungen für Menschen, die schächten wollen, so der Sozialdemokrat.

Der Fall kam mit einem Schreiben an die Israelitische Kultusgemeinde ins Rollen

Ins Rollen kam der Fall mit einem Schreiben der Behörden an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) im Juli. Darin wird gemäß Gerichtsbeschluss darauf aufmerksam gemacht, dass religiöse Gründe bei Schächtungen nur von konkreten Personen geltend gemacht werden könnten. Die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften könne über Auszüge aus Mitgliederverzeichnissen, offizielle Dokumente oder ähnliche Unterlagen nachgewiesen werden.

Bei der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) interpretierte man dieses Schreiben so, dass Schlachthöfe und koschere Verkaufsstellen künftig Listen ihrer Kunden führen müssen. IKG-Präsident Oskar Deutsch sagte im ORF-Radio, er fühle sich an eine Zeit erinnert, von der er geglaubt habe, dass sie nie mehr kommen werde. Er spielte offenbar auf die Judenregistrierungen unter den Nationalsozialisten an. Deutsch sagte, er gehe davon aus, dass es zu keiner Registrierung von Käufern koscheren Fleisches kommen wird. „Das wird so in diesem Lande nicht stattfinden.“

Die Ermittlung des persönlichen Bedarfs aus religiösen Gründen sei schwierig, sagte der Fraktionschef der konservativen ÖVP in Niederösterreich, Klaus Schneeberger, im Radiosender Ö1. In der Diskussion bezog Niederösterreichs Ministerpräsidentin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) klar Stellung. „Dass sich die einzelnen Abnehmer zuerst registrieren lassen müssen, das wird es in Niederösterreich sicher nicht geben“, sagte sie der Nachrichtenagentur APA. Es spiele keine Rolle, ob dieser Vorstoß nun von einem SPÖ- oder einem FPÖ-Minister komme. Es handle sich um ein besonders sensibles Thema. „Da erwarte ich mir eine sachliche Diskussion und kein Zündeln.“

Scharfe Kritik vom Zentralrat der Juden

Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, hat Österreichs Politiker vor der Einführung eines Juden-Registers für den Kauf von koscherem Fleisch gewarnt. „Dass Juden sich in Niederösterreich künftig registrieren lassen müssen, um koscheres Fleisch kaufen zu können, ist ungeheuerlich und abscheulich“, sagte Knobloch der „Bild“-Zeitung. Es sei offensichtlich, dass die FPÖ über das vorgeschobene Argument des Tierschutzes Listen der niederösterreichischen Juden erstellen wolle.

„Besonders vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte müssen hier alle Alarmglocken schrillen“, so Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist. „Ein solches Ausmaß an Geschichtsvergessenheit schockiert mich“, sagte sie dem Blatt. Sie hoffe, dass alle demokratischen Parteien in Österreich diesem Spuk so schnell wie möglich ein Ende machten.

Eine Registrierung von Juden vor dem Kauf von koscherem Fleisch schließt die Regierung in Österreich indes aus. „Wir bekennen uns ganz klar zu unseren jüdisch-christlichen Wurzeln und werden diese auch künftig gegen Eingriffe und Angriffe verteidigen“, sagte Österreichs Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Jeder Form einer persönlichen Registrierung sei „völlig indiskutabel und kommt für uns niemals infrage.“