Den 25. Geburtstag des Fördervereins konnte Steffi Cornelius (rechts der Fördervereins-Vorsitzende Hans Weil) 2019 noch standesgemäß feiern. Das silberne Jubiläumsjahr des Freilichtmuseums selbst beginnt – coronabedingt verzögert – am Dienstag. Foto: Ines Rudel/Archiv

Die Entwicklung des Freilichtmuseums Beuren – von der Baustelle zum Schmuckstück – hat Steffi Cornelius über 25 Jahre hinweg maßgeblich mitgeprägt. Dass die Einrichtung an Zuspruch und an Bedeutung verlieren könnte, schließt sie aus: eher im Gegenteil.

Beuren - Das Silberjubiläum ihres touristischen Magneten hatten sich die Verantwortlichen in Beuren mit Sicherheit anders vorgestellt. Vor 25 Jahren, im Mai 1995, wurde das Freilichtmuseum eingeweiht. 70 000 bis 80 000 Besucher zählt das Museum des Landkreises Esslingen pro Jahr. Groß gefeiert werden kann in Corona-Zeiten zwar nicht. Aber immerhin wird der Betrieb an diesem Dienstag wieder aufgenommen. Die Leiterin Steffi Cornelius ist überzeugt, dass in einer sich schnell wandelnden Welt die Bedeutung von Freilichtmuseen wächst.

Die Pandemie hat ihnen im Jubiläumsjahr den Saisonstart vermasselt.

Mir hat ganz arg leid getan, dass am 5. April der Tag der offenen Tür ausgefallen ist. Die sechs anderen Freilichtmuseen des Landes hätten mit uns den Bauhandwerkertag gefeiert, viele Betriebe wären gekommen und das Wetter war super.

Doch jetzt geht’s los. Welche Sicherheitsvorkehrungen müssen Sie treffen?

Wir starten an diesem Dienstag mit klaren Vorgaben, haben an der Kasse eine Sichttrennwand eingebaut und können bestimmte Häuser nicht öffnen, weil es zu eng ist. Dafür machen wir kurzfristig eine Ausstellung in der Gärtringer Scheuer, wo der Abstand gut einzuhalten ist. Außerdem ziehen wir die virtuelle Zeitreise vor, die Anfang Juli geplant war, um die geschlossenen Gebäude zugänglich zu machen. Veranstaltungen sind vorläufig nicht möglich. Aber vielleicht ist das eine Chance: Der Blick wird stärker auf die Gebäude gelenkt, die ja unseren Sammlungsauftrag ausmachen. Klar hatten wir uns unseren Geburtstag anders vorgestellt, aber in dieser Landschaft, mit den Themenpfaden, den Infotafeln und den Tieren ist unser Museum auf jeden Fall attraktiv.

Einweihung im Mai 1995: Mir fallen da kalter Dauerregen und rutschige Wege ein. Woran erinnern Sie sich?

Ja, das Wetter war schlecht, aber wir haben sehr so auf den Tag hingefiebert, dass wir uns vor allem über die vielen Menschen gefreut haben, die an diesem außergewöhnlichen Ereignis Anteil nahmen. Ich erinnere mich gern an den Festvortrag der Professorin Christel Köhle-Hezinger mit dem Titel ‚Vom Schandfleck zum Schmuckstück’. Sie hat aufgezeigt, wie sich Gebäude verändern, wenn man sie vernachlässigt und wie sie im Museumsdorf ihre Geschichte zurückerhalten.

Die Geschichte des Museums begann jedoch schon früher mit Konzepten, Häuser dokumentieren, einlagern und aufbauen.

Bei meinem Dienstantritt im April 1991 habe ich ein Gelände mit einigen Baugruben betreten. Das hat nach großer Herausforderung ausgesehen und macht deutlich, was wir seither zusammen geleistet haben. Ein elementarer Teil meiner Arbeit in der Anfangszeit war, zu überlegen, welchen Zeitschnitt wir zeigen, welche Einrichtungen wir nehmen und was die Besucher erwarten? Wir haben einige innovative Ideen entwickelt, haben zum Beispiel die Info-Stelen zur Haus- und Bewohnergeschichte als Silhouetten gestaltet.

1995 standen nur acht Gebäude. Hatten Sie Bedenken, so anzufangen?

Überhaupt nicht. Schon vor der Eröffnung hatten wir pro Jahr etwa 50 Führungen durch das geschlossene Museum. Wir haben gelernt, was die Leute interessiert und gewusst, jetzt müssen wir aufmachen. Die Eröffnung war ja in einer finanziell schwierigen Zeit vom Kreistag von 1993 auf 1995 verschoben worden.

Spüren Sie einen Druck, jedes Jahr Erwartungen erfüllen und eine gewisse Besucherzahl erreichen zu müssen?

Die Besucherzahl ist nicht das einzige Kriterium. Wir sind nicht nur ein Freizeitangebot, sondern auch eine Bildungseinrichtung. Unsere Museumspädagogen betreuen mehr als 400 Gruppen pro Saison, überwiegend Schulklassen, auch viele Kindergruppen, die Geburtstag feiern und dabei erfahren, wie das dörfliche Leben früher war. Großveranstaltungen ziehen viel Publikum an, dennoch haben die Gremien eine mutige Entscheidung getroffen, nämlich die Oldtimer-Tage im zweijährigen Rhythmus zu machen. Zwar ist das Freilichtmuseum die ideale Umgebung für den Oldtimer-Treff, aber wir brauchen auch Kapazitäten, um neue Projekte umzusetzen.

Sie brauchen Erstbesucher und Wiederholungstäter: Was ist Ihre Marketing-Taktik?

Um die Besucherzahl zu halten, muss man heute mehr leisten als 1995. Schauen Sie sich nur an, wie viel Events heute in der Region angeboten werden, es gibt zahllose Alternativen. Das Freilichtmuseum hat aber viele Stammbesucher und die bringen Erstbesucher mit. Jetzt kommen schon die Kinder unserer ersten Besucher mit ihren Familien. Kürzlich erzählte mir eine pensionierte Lehrerin, ihre Schüler hätten die Übernachtung hier im Heu nie vergessen. Wir haben auch frühzeitig auf neue Medien gesetzt, haben schon lange eine hervorragende Homepage, die wöchentlich aktualisiert wird. Wir versuchen neue Zielgruppen zu erreichen, etwa mit dem Erlebnis- und Genusszentrum.

Museumspädagogik nimmt einen wichtigen Platz ein. Haben sich die Erwartungen der Schüler und Lehrer verändert?

Da möchte ich zunächst den Förderverein hervorheben, der ermöglicht hat, dass im Juli 1998 die ehemalige Bauhofscheuer der Gemeinde Beuren als Pädagogik-Scheuer eröffnet wurde. Von da an ist es nur aufwärts gegangen. Die Welt, die wir zeigen, ist doch vielen Besuchern immer fremder geworden, das ist schon eine Herausforderung für das Museumsteam.

Das Museum hat nun 25 Gebäude. Wie viele sind noch eingelagert und wann hat der Landkreis Geld für den Wiederaufbau?

Drei Häuser sind noch eingelagert, seit 1988. Das Haus eines Steinmetzes aus Wangen im Kreis Göppingen, ein spätmittelalterliches Haus aus Frickenhausen, 1463 erbaut, und ein kleinbäuerliches Haus aus Echterdingen. Wie es weiter geht, das entscheiden die Kreisgremien.

Haben Sie ein Lieblingshaus?

Lange Zeit war es der Schweinestall aus Ehningen, ein unscheinbares Gebäude, das gern vergessen wird und heute keiner mehr braucht. Daran kann man zeigen, warum ein Freilichtmuseum wichtig ist. 2003 hat dann das Fotoatelier aus Kirchheim dem Stall den Rang abgelaufen. Nicht nur, weil das Atelier so ungewöhnlich ist, sondern weil mir dadurch klar geworden ist, in welcher Umgebung die Fotos meiner Großeltern und meiner Eltern entstanden sind.

Sie sind Kulturwissenschaftlerin – welche Rolle spielt die Wissenschaft im Museumsbetrieb? Kommt sie zu ihrem Recht?

Sie ist die Basis unserer Arbeit. Ein banales Beispiel: Der merkwürdige Gartenzaun an der Schreinerei, die Mischung aus Staketen und Maschendraht. Das ist kein Zufall, weil wir gerade Draht übrig hatten. Wir haben nach historischen Quellen, nach Fotos gesucht. Der Zaun ist genau so wie er in den 1920er-Jahren in Ohmenhausen stand. Oder das Öschelbronner Haus: Besucher sagen, das kann nicht sein, mit dem Hopfenanbau dort. Doch, das ist historisch dokumentiert. Wir studieren Archive und befragen Zeitzeugen und entwickeln daraus Konzepte. Ohne Wissenschaft wären wir ein Freizeitpark.

Wohin wird sich das Freilichtmuseum in den nächsten Jahren entwickeln?

Ich bin überzeugt: Je mehr sich die Dörfer verändern, umso größere Bedeutung bekommt ein Freilichtmuseum. Wenn Sie vergleichen, was 1995 in den Dörfern an alter Substanz vorhanden war und was heute übrig ist. Wir werden immer wieder neue Formate ausprobieren. So wollen wir mit dem Förderverein ein Pilotprojekt ‚gelebte Geschichte’ starten, mit ehrenamtlichen Akteuren aus der Umgebung. Man muss am Puls der Zeit sein – auch wenn man sich mit Geschichte beschäftigt.

Engagiert seit der ersten Stunde

Schon lange bevor das Freilichtmuseum Beuren vor 25 Jahren seine Pforten für Besucher erstmals öffnen konnte, war Steffi Cornelius als dessen Leiterin tätig. Bereits am 1. April 1991 nahm die heute 59-Jährige, die an der Uni Tübingen Empirische Kulturwissenschaft, Politikwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur studiert hat, ihre Arbeit auf und prägte das Konzept sowie die Weiterentwicklung der Einrichtung maßgeblich mit.

Steffi Cornelius, die aus der Pfalz stammt und in Beuren lebt, hat zudem den Förderverein des Freilichtmuseums 1994 mitbegründet und fungiert seitdem als dessen stellvertretende Vorsitzende.