RB Leipzig fordert an diesem Samstag den FC Bayern München im DFB-Pokalfinale – es ist der Höhepunkt der jungen Vereinsgeschichte. Was macht den umstrittenen Club aus dem Osten aus?
Stuttgart/Leipzig - Der Boss der Roten Bullen wird sich zum vorläufigen Höhepunkt der Vereinsgeschichte offenbar keine Flügel verleihen. Dietrich Mateschitz, so ist es zu hören, fliegt nicht ein zum DFB-Pokal-Finale an diesem Samstag gegen den FC Bayern München (20 Uhr/ARD). Der österreichische Milliardär könne wegen eines Auslandsaufenthalts nicht in Berlin sein, ließ er auf Nachfrage der „Sport-Bild“ ausrichten. Mateschitz verpasst damit den möglichen ersten großen Titelgewinn von RB Leipzig.
Und das zum großen Vereinsjubiläum.
Zehn Jahre RB Leipzig – seit vergangenen Sonntag ist es so weit. Und was wäre das für eine Geschichte. Der erste große Triumph, fast auf den Tag genau zehn Jahre nachdem aus der „Schnapsidee“ von Dietrich Mateschitz in beispielloser Geschwindigkeit eine neue Größe im deutschen Fußball herangewachsen ist. Zehn Jahre im Brauseschritt. Zehn Jahre Höhenflug der Roten Bullen. Und zehn Jahre schier endlose Debatten über das nach wie vor umstrittene Konstrukt, das mit dem Geld von Mateschitz und dessen Ideen erst möglich wurde.
Der Unternehmer berichtete einst davon, wie vor zehn Jahren viele Zweifler auf ihn zugekommen seien und ihm ein Scheitern prophezeit hätten. „Aber ich hatte halt die Schnapsidee. Mein Einstieg in die Formel 1 war auch eine Schnapsidee, sogar das Gründen von Red Bull“, sagte der Firmenchef der Brausemarke.
Jetzt ist das Fußballspielzeug des Milliardärs auf dem vorläufigen Gipfel angekommen. Platz drei und die Champions-League-Teilnahme sind fix, jetzt soll im Pokalfinale der erste Titel her.
Umstrittenes Wappen
Und spätestens dann, das ist klar, würde es wieder die alten Debatten geben. RB Leipzig, das ist ein Club, der für manche hart gesottene Traditionalisten nicht vereinbar ist mit dem Kosmos Fußball. Das geht schon beim Vereinswappen los. Da springen zwei rote Bullen von links und rechts auf einen Ball – darunter steht der Vereinsname: RB Leipzig. Dabei dürfen Vereinsembleme im Hoheitsbereich der DFL eigentlich keine allzu große Ähnlichkeit zu Sponsorenlogos aufweisen, zudem ist Werbung im Vereinsnamen verboten. Mit einem Trick haben die Leipziger Strategen eine Lösung gefunden. RB steht demzufolge nicht für die Initialen des Clubbesitzers, sondern für RasenBallsport. Und der Ligaverband trug RB nur auf, die „für Red Bull charakteristische gelbe Sonne“ aus dem Logo zu entfernen. Dass zwei rote Bullen dagegen nicht für Red Bull stehen sollen – nun ja.
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Die Sache also hat zumindest ein Gschmäckle – ebenso wie die Verflechtung zu anderen Vereinen, die vom Brausekonzern finanziert werden. Die Spielerwanderung aus Salzburg nach Leipzig ist längst legendär. Im Sommer etwa wechselt der offensive Mittelfeldmann Hannes Wolf von RB zu RB. Der 20-Jährige ist bereits Spieler Nummer 16, der von Salzburg nach Leipzig kommt. Die Verantwortlichen allerdings predigen schon länger die sogenannte Entflechtung der beiden Clubs, die seit der ersten Europacup-Teilnahme von RB Leipzig auch vonnöten ist gemäß der Uefa-Statuten.
Kritiker halten die Argumentation für einen schlechten Fußballwitz. Denn in der vergangenen Saison ließ die Uefa das Team von RB Leipzig und RB Salzburg zeitgleich in der Europa League antreten. Das Statut des europäischen Verbands zur „Integrität des Wettbewerbs“ besagt allerdings, dass niemals zwei oder mehr Vereine, die „auf irgendeine Art und Weise“ von ein und derselben natürlichen oder juristischen Person „beeinflusst werden“ können, zeitgleich im kontinentalen Wettbewerb starten dürfen. Faktisch umging RB mit geschickten Winkelzügen die Hürden. Zurück blieb wieder: ein deftiges Gschmäckle – ebenso wie bei der Vereinsstruktur von RB Leipzig, die für viele diesen Namen nicht verdient hat. Denn der Club hat nicht einmal 20 stimmberechtigte Mitglieder, die wiederum allesamt Red Bull nicht gerade fernstehen.
Niko Kovac lobt den Finalgegner
Es gibt also mehr denn je viel Stoff für Diskussionen, die Roten Bullen, sie sind für viele Fußballliebhaber ein rotes Tuch – dabei lohnt ein genauerer Blick auf die Dinge. Christian Streich, ein Trainer also, der mit dem SC Freiburg so etwas wie das Gegenmodell zu RB lebt, sagt: „Wenn du diese für uns unvorstellbaren Mittel hast, ist der Erfolg offensichtlich planbar, aber er kommt nicht automatisch.“ Niko Kovac, der Trainer des Pokalfinalgegners FC Bayern, sagt: „Es gibt viele Clubs, die Geld haben, egal wo sie das Geld herholen, die aber nichts auf die Reihe bekommen. Warum können wir nicht mal als Menschen andere Leistungen anerkennen, loben, vielleicht sich mal ein Beispiel nehmen?“
Und tatsächlich ist es ja so: RB machte mit den Mitteln des Geldgebers in den vergangenen Jahren einen formidablen Job. Los ging es in der Oberliga. Dank eines Deals mit dem SSV Markranstädt, der sein Spielrecht samt erster Mannschaft, Reserve und Jugendmannschaften abtrat, wurde dieser Einstieg in Liga fünf im Jahr 2009 überhaupt möglich. Für die Mission Aufstieg wurden zudem einige erfahrene Profis geholt.
Nagelsmann scheint ideal nach Leipzig zu passen
Rasant gelang der Durchmarsch bis nach ganz oben. Bis in die Champions League. Dank hochkompetenter Angestellter wie Ralf Rangnick, dank einer einheitlichen offensiven Spielphilosophie mit der berühmten Überfalltaktik durch die Mitte bis in die Jugendmannschaften hinein. Dank des klaren Bekenntnisses zu hochveranlagten, jungen und entwicklungsfähigen Spielern wie Timo Werner im Profibereich. Dank einer engen Verzahnung – auch infrastrukturell – zwischen Jugend und Profis. Dank versierter Experten auf allen Ebenen. Und dank einer Infrastruktur, die ihresgleichen sucht. Die Trainingsakademie in Steinwurfnähe der Arena etwa ist topmodern und setzt Maßstäbe.
Grenzen nach oben scheint es keine zu geben bei RB – schon vor fünf Jahren wurde Mateschitz nach einer möglichen deutschen Meisterschaft gefragt. Er sagte: „Irgendwann wird es so sein.“ Womöglich schon mit dem neuen Trainer Julian Nagelsmann. Dem Mann also, der mit seinem jugendlichen Elan, seinem Fördern junger Spieler und seinem Offensivfußball ideal nach Leipzig zu passen scheint.
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