Günter Seng wird für 70 Jahre aktives Mitspielen im Musikverein Plüderhausen geehrt. Der 83-Jährige hat sich aber nicht nur musikalisch eingebracht. Und ohne einen Fabrikanten wäre wohl vieles ganz anders verlaufen.
Mit diesen Händen könne er keine Trompete spielen, „aber du hast gute Lippen“. Günter Seng war, als man ihm das sagte, 13 Jahre alt und wollte gerne ein Instrument lernen, am liebsten Trompete. Aber seine Finger seien halt zu grob dafür gewesen, sagt er. Den Wunsch, ein Instrument zu erlernen, hat er sich nicht nehmen lassen.
Seit 70 Jahren spielt der 83-Jährige im Musikverein (MV) Plüderhausen die Posaune. Ununterbrochen. So ein Musikerjubiläum sei äußerst selten, sagt Bernd Hees, Kassierer des MV. „In Plüderhausen hat das bisher noch niemand erreicht.“ Günter Seng wird am Sonntag beim Neujahrskonzert des Musikvereins entsprechend geehrt.
Es gefällt ihm „bei den jungen Leuten“
Beim Konzert spielt er, wie immer, auf seiner Posaune mit. Er ist nun das älteste aktive Mitglied im Musikverein, viele Jahrzehnte hat er die 1. Stimme bei den Posaunen gespielt. Er sei jetzt in der dritten Stimme gut aufgehoben, wie er sagt. Dass er nach wie vor bei jedem Konzert mitspielt, ist für ihn aber selbstverständlich. Auch wenn es darum geht, einem Vereinsmitglied ein Ständchen zum Geburtstag zu spielen oder Trauerfeiern am Grab musikalisch zu begleiten, kann der Musikverein auf ihn zählen. „Da braucht man die tiefen Töne“, sagt er.
Günter Seng mag seine Posaune, er mag das Zusammenspiel im Verein, „mir gefällt es bei den jungen Leuten“. Und er mag auch das Repertoire, das einstudiert wird. Auf das Stück „Leichte Kavallerie“ von Franz von Suppé, es steht am Sonntag in der Staufenhalle auf dem Programm, freut er sich besonders. Die Posaunen übernehmen in dem Stück anspruchsvolle Passagen. Günter Seng hat seinen Part gut einstudiert.
Was Günter Seng macht, das macht er gewissenhaft. Das wissen und schätzen seine Musikerkameraden. „Auf ihn ist Verlass“, sagt auch Bernd Hees. Seng erinnert sich, wie er bei Hees’ Hochzeit gespielt hat. Fast jedes Wochenende spielten sie einst bei einem Fest auf, sie waren unterwegs, etwa in der Partnerstadt Southampton, in Elmau oder Besana Brianza in Norditalien. Da seien sie herzlich empfangen worden. Er hat Dirigenten kommen und gehen sehen. Günter Seng ist immer geblieben.
Für ihn ist die Musik ein konstanter Begleiter in seinem Leben, ein Ausgleich. Er hat verschiedene Instrumente ausprobiert, auch die Tuba, das Alphorn und das Akkordeon. Beim Saxofon sei er wieder an der Größe seiner Finger gescheitert. Ans Keyboard, das bei ihm zu Hause steht, setze er sich oft und gerne, „zum Hausgebrauch“. Und wenn im Fernsehen Konzerte von den Wiener Philharmonikern übertragen werden, „dann darf mich niemand stören“.
Als Schlosser hat er auch Instrumente repariert
Günter Seng, Jahrgang 1939, ist mit zwei ebenfalls musikalischen Brüdern aufgewachsen. Der Vater ist im Krieg gefallen. Geld, um ihm ein Blechblasinstrument zu kaufen, habe seine Mutter nicht gehabt. Der einstige MV-Dirigent Eugen Schäfer und der Plüderhäuser Fabrikant Rube waren die Wegbereiter für Sengs „musikalische Karriere“, wie er sagt. Schäfer holte ihn zum MV, Rube kaufte im Oktober 1952 eine Posaune. Vieles habe er sich dann selber beigebracht, erzählt er. Später hat er im Verein die Jugend ausgebildet und sich die entsprechenden Kenntnisse aus einschlägiger Literatur angeeignet. „Günter ist ein toller Ausbilder gewesen und sehr beliebt“, lobt ihn Bernd Hees. Inzwischen bildet der Musikverein nicht mehr aus, „das übernehmen jetzt professionelle Lehrkräfte der Jugendmusikschule“.
Günter Seng ist im Musikverein nicht nur im Orchester eine feste Größe, er hat sich auch um die Wartung der Blasinstrumente gekümmert. Als gelernter Betriebsschlosser konnte er vieles reparieren. „Der Verein hat dadurch viel Geld gespart“, sagt Bernd Hees anerkennend. Für Günter Seng ist der Begriff Ehrenamt keine Worthülse. Wo und wann es im Verein etwas zu tun gibt, er packt mit an.
Bei den Plüderhäuser Festtagen zum Beispiel hat er den Göckelesstand betreut, bis zum vergangenen Jahr. „Günters Göckele waren nicht nur hervorragend“, sagt Bernd Hees, er hat nach dem Fest auch immer den Grill perfekt geputzt. Jetzt dürften andere ran, sagt der Jubilar. Der Verein hat ihm viel zu verdanken, die Aufzählung wird lang sein am Sonntag: Jugendleiter, Zweiter Vorsitzender, Beisitzer im Gesamtvorstand und im Festausschuss, Instrumentenwart und Hausmeister, um nur ein paar Aufgaben zu nennen. Bei der Fußballjugend im Ort stand er zwar im Tor, aber die Bedeutung und die Konstanz, die er der Posaune eingeräumt hat, gibt es höchstens noch für sein Stückle. Dort hat er seinen Ausgleich gesucht und gefunden, noch immer ist er fast täglich auf dem Gartengrundstück anzutreffen. Das hält ihn fit. Für das Posaunenspiel ist das wichtig, „die Luft dafür kommt nämlich aus dem Bauch, nicht aus der Lunge“.
Seit mehr als 60 Jahren verheiratet
Auch privat hat Günter Seng der Musik vieles zu verdanken. 1959 lernte er seine spätere Frau Luise auf einem Fest in Mutlangen kennen. Eine Woche später gab es im Sterngarten in Plüderhausen ein Wiedersehen. „Wenn ich sie nicht hätte.“ Damit meint er seine Frau, aber dasselbe trifft auch auf seine Posaune zu. Nur mit dem Unterschied, seine erste Posaune gibt es lange nicht mehr, aber mit seiner Frau ist er „seit über 60 Jahren verheiratet“. Ehe und Verein scheinen ihm gut zu tun, seine 83 Jahre sieht und merkt man Günter Seng nicht an.
Volles Programm beim Neujahrskonzert
Ehrung
Der Musikverein – Gemeindekapelle Plüderhausen spielt am Sonntag, 22. Januar, um 17 Uhr in der Staufenhalle in Plüderhausen sein zur Tradition gewordenes Neujahrskonzert. Es ist das 25. – und ein besonderes in der Vereinsgeschichte. Zu den Geehrten gehört an diesem Abend Günter Seng. Seit 70 Jahren ist er aktives Vereinsmitglied und spielt seitdem ununterbrochen die Posaune.
Abschied
Außerdem wird der langjährige Dirigent Stefan Eitel verabschiedet und sein Nachfolger vorgestellt. Das musikalische Programm gestalten das Blas- und Vorstufenorchester, das Bläserquintett und die Jugendkapelle. Karten gibt es im Vorverkauf bei der Buchhandlung Donner.