Im ehemaligen Reichsstädtischen Rathaus an der Ritterstraße residiert heute das Amtsgericht Esslingen. Foto: Horst Rudel

In der Stadt wurde im Jahr 1819 einer der vier württembergischen Kreisgerichtshöfe gegründet. Dabei spielt das ehemalige Reichsstädtische Rathaus eine bedeutende Rolle. Der erste Stadtrichter wurde aber sogar schon 1229 erwähnt.

Esslingen - Der Esslinger Amtsgerichtsdirektor Andreas Arndt weiß um das Privileg, in einem „der schönsten Amtsgerichte des Landes“ arbeiten zu dürfen. Doch das herrschaftliche Gebäude an der Ritterstraße in der östlichen Altstadt ist nicht nur schön, sondern auch mit einer beachtlichen Geschichte ausgestattet. Und diese ist eng mit dem in diesem Jahr begangenen 200. Geburtstag der Landgerichte Ellwangen, Tübingen und Ulm verwoben. Denn erst mit dem Gesetz über die Gerichtsverfassung verlor Esslingen zum 1. Februar des Jahres 1869 seinen Gerichtshof an Stuttgart. So wurden von den ehemals im Jahr 1819 gegründeten vier Kreisgerichtshöfen drei zu Landgerichten – Esslingen blieb bis heute der Standort eines Amtsgerichts.

Andreas Arndt ist Richter mit Leib und Seele. Zudem ist er geschichtlich interessiert, weshalb er sich mit der Historie seines Arbeitsplatzes intensiv auseinandersetzt. In seinem Büro etwa war anno dazumal das Blutgericht angesiedelt. Und Andreas Arndt ist davon angetan, dass einige historische, in Esslingen einst verhandelte Fälle, überliefert wurden.

Ein Prozess gegen die Aufmüpfigen

Beispielsweise der Prozess gegen den Weingärtner Christoph Döttling, den Kutscher Johann Kohler und den Friseur Johann Georg Pichon, die sich im Mai 1817 an „in Stuttgart vorgefallenen Unruhen“ beteiligt hatten. Dort waren die drei angeklagten Männer in das Palais eingedrungen, um den Minister zur Rede zu stellen. Es ging um die Alt-Württembergische Verfassung, durch die sich Döttling, Kohler und Pichon ernsthaft in ihrer Existenz bedroht sahen.

Ihr Protest beim Minister war zwar verbaler Natur, aber wohl etwas zu massiv ausgefallen. Deshalb wurden die „Unruhestifter“ noch 1817 jeweils zu einem halben Jahr Festungshaft auf dem Hohenasperg verurteilt und mussten zudem die Kosten für die gerichtliche Untersuchung selbst tragen. Das stürzte ihre Angehörigen in bittere wirtschaftliche Not, zumal Pichon auch noch während der Haft verstarb. Döttlings Frau und Pichons Witwe baten den König darum, ihnen die Kosten zu erlassen oder wenigstens zu ermäßigen. Der zeigte sich zunächst recht ungnädig und verweigerte das Ansinnen. Schließlich wurde den Bitten in den Jahren 1820 und 1821 doch noch entsprochen, nachdem sich der Direktor des Gerichtshofes von Huber und der Oberjustizrat von Ditterich für die Familien eingesetzt hatten.

Doch die Geschichte des Gerichtsstandorts Esslingen reicht viel weiter zurück. Vor allem der frühere Amtsgerichtsdirektor Christian Ottersbach hat diese nachhaltig erforscht und in einem Vortrag aufgeschrieben. Es gibt Quellen, die bereits im Jahr 1229 Stadtrichter erwähnen, und seit dem 14. Jahrhundert besaß der Rat des Stadtstaates Esslingen die Hochgerichtsbarkeit. Ein eigenständiges Rathaus, in dem auch die Gerichtssitzungen abgehalten wurden, gab es in der Stadt aber wohl erst seit dem Ende des 14. Jahrhunderts am heutigen Standort in der Ritterstraße. Das Gericht war laut der Festschrift zum 200. Jubiläum der Kreisgerichtshöfe spätestens seit dem 16. Jahrhundert im Rathaus in der Esslinger Ritterstraße untergebracht, wo sich dann im 18. Jahrhundert auch die Blut- und Ehegerichtszimmer, also der Kriminal- und Zivilgerichtshof, befanden. Von 1524 bis 1527 war dort übrigens auch das Reichskammergericht angesiedelt, bevor dieses nach Speyer umzog.

Den Bürgermeister trifft der Schlag

Bitter waren für die Stadt Esslingen der Übergang an Württemberg in den Jahren 1802/03. Im Zuge dieses von den Stadtoberen als Unrecht empfundenen Vorgangs zog der Oberamtmann Kausler im März 1803 in das reichsstädtische Rathaus ein. Die städtischen Ämter mussten deshalb in das bisherige Steuerhaus – heute das Alte Rathaus – ausweichen. Diese Umstände setzten dem damaligen 72-jährigen Bürgermeister Göschel offenbar ganz besonders zu. Am 29. März 1803 machte er Kausler seine Aufwartung, was er im Vorfeld als den „schwersten Gang meines Lebens“ bezeichnete. Tatsächlich traf ihn in seiner Erregung noch im Vorzimmer des Oberamtmannes Kausler der Schlag.