Die Familie Ragoßnigg verkauft seit 1961 Obst und Gemüse in der Markthalle. Foto: Sybille Neth

Das denkmalgeschützte Gebäude der Markthalle mit seinem Warenangebot ist ein Besuchermagnet. Zum 100. Geburtstag wird jetzt gefeiert, außerdem locken Führungen hinter die Kulissen.

S-Mitte - Wohin führt der Stuttgarter seine auswärtigen Gäste? In die Markthalle. Der Gourmettempel ist einer der Höhepunkte in der Stadt, denn hier ist nicht nur touristisch die Welt zu Gast, sondern auch das Warenangebot reicht rund um den Globus. 30 Sorten Reis und Linsen, Sumach aus dem Iran, Garnelen frisch vom Großmarkt aus Paris, Salami aus Ungarn, Fleisch vom Mohrenköpfle, dem artgerecht gehaltenen Schwäbisch Hällischen Schwein oder vom Zeburind und Weinblätter aus Griechenland. Feinschmeckern und Hobbyköchen geht das Herz auf in dem denkmalgeschützten Gebäude, in dem heute und am Samstag das 100-Jahr-Jubiläum gefeiert wird.

Seit einem Monat weist die dezente Neonschrift unter dem imposanten Glasdach auf den runden Geburtstag hin, der eigentlich schon im Januar war. „Weil es sich im Sommer besser feiern lässt, haben wir das Fest in den Juli gelegt“, begründet Jörg Klopfer von der Veranstaltungsgesellschaft „in.Stuttgart“ die Entscheidung. So sind am 12. Juli alle zum Frühschoppen und zur Hocketse auf der Sporerstraße eingeladen. Außerdem warten Handel und Gastronomie an diesem Wochenende mit Sonderangeboten und Musik auf die Kunden.

Üppige Wandmalereien mit Jagd- und Marktszenen

Im Jubiläumsjahr führt das Stuttgart-Marketing hinter die Kulissen der Markthalle und diesen Blick wollen viele Besucher wagen. „Ich mache zwei Führungen pro Tag“, erzählt Andrea Nuding, „und beide sind voll.“ Einmal pro Woche lockt sie die Teilnehmer mit diversen Erklärungen zur Architektur und zu den üppigen Wandmalereien mit Jagd-und Marktszenen auf der Schokoladenseite des Gebäudes zur Dorotheenstraße hin, ins Innere der Markthalle und schließlich in deren erstaunlich aufgeräumten, geräumigen Keller. „Selbst für mich gibt es immer noch Ecken, die ich nicht kenne“, gesteht die Ortskundige.

Der Besucher sollte durchaus den Blick auch einmal nach oben richten. Nicht nur wegen des doppelwandigen Glasdaches, das wie eine Klimaanlage wirkt, sondern auch wegen der Fenster. Jedes ist von zwei Säulen eingerahmt und keine gleicht der anderen. Auf dem Fußboden erinnern die Schienen daran, dass die Körbe mit Obst, Gemüse und die Kolonialwaren früher mit der Straßenbahn angeliefert wurden. „Dreimal in der Woche wurden die speziellen Wagen für die Markthalle am Bahnhof an die Straßenbahn angehängt“, erzählt Andrea Nuding. „Am Karlsplatz wurden sie abhängt und dann in die Halle geschoben.“

Einst 400 Stände, heute nur noch 35

Bis zu 400 mobile und feste Stände gab es, heute sind es noch 35. Die Warteschlange ist lang, und wer hier verkauft, muss gut kalkulieren, denn Obst, Gemüse und Spezialitäten aus aller Welt haben in der Markthalle nicht nur für die Kunden ihren Preis, auch die Händler müssen rechnen. „Bei denen verdirbt fast nichts, weil sie die Wünsche ihrer Stammkundschaft kennen und ihren Einkauf danach richten“, erläutert Andrea Nuding. Wer angesichts von Oliven und mariniertem Calamares Durst bekommt, kann diesen im Restaurant stillen oder am Ceres-Brunnen, der einst mit Mineralwasser gespeist wurde. Über ihm erinnert der Überrest eines Wandreliefs mit Pferd an die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Die unmittelbare Nachbarschaft ähnelt wegen der aktuellen Großbaustelle im Dorotheenquartier der Nachkriegszeit. Andrea Nuding belegt dies mit Fotos: „Es sieht jetzt gerade aus wie 1945.“

Heute ist die Markthalle Kult. Deshalb ist ein Kochbuch im Handel, in dem die Händler Lieblingsrezepte vorstellen und sie ist ein Drehort für Krimis: Kommissar Bienzle löste hier einen Fall für den ARD-Tatort und vor kurzem ist ein Regionalkrimi erschienen, der ebenfalls zwischen Käselaiben und Fladenbrot spielt.

Seite 2: Programm im Jubiläumsjahr

Führungen Im Jubiläumsjahr wird das Angebot an Führungen wegen der großen Beliebtheit ausgeweitet. Neu ist die Tour mit der „Marktfrau Dorle“. Sie erzählt unter dem Motto „Oimol naischmegga“ auf Schwäbisch Anekdoten aus der Welt der Markthallenbeschicker. Mit der Architektur und Geschichte beschäftigt sich die Führung „Markthalle spezial“.

Festprogramm Bis 11. September ist im Rathaus eine Ausstellung zur Geschichte der Markthalle mit den Plänen ihres Architekten Martin Elsässer zu sehen. Am Freitag und Samstag wird in und um die Halle gefeiert.

Markthallenfeste Am Freitag, 11. Juli, und Samstag, 12. Juli findet das Markthallenfest statt mit einem kleinen Festakt am Freitag sowie Frühschoppen und Hocketse am Samstag.