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Mit 70 Jahren stellte sich der bayrische Filmregisseur Joseph Vilsmaier seiner wahrscheinlich größten Herausforderung: Er verfilmte das Drama der Nanga-Parbat-Expedition von 1970, bei der Reinhold Messners Bruder Günther ums Leben kam.

München - Mit 70 Jahren stellte sich der bayrische Filmregisseur Joseph Vilsmaier ("Herbstmilch", "Comedian Harmonists") seiner wahrscheinlich größten Herausforderung: Er verfilmte an Originalschauplätzen das Drama der Nanga-Parbat-Expedition von 1970, bei der Reinhold Messners Bruder Günther ums Leben kam.

Herr Vilsmaier, vor Beginn der Dreharbeiten konnten Sie den Antrieb der Extrembergsteiger nicht nachvollziehen. Hat sich das nun geändert?

Ja, schon ein bissel. Ich fand die immer völlig verrückt. Als ich dann aber zum ersten Mal dort war und die überwältigende Welt der Berge erlebte, konnte ich es mir vorstellen. Natürlich muss man eine wahnsinnige Kondition haben und leidensfähig sein bis zum Gehtnichtmehr. Du darfst nicht ausrutschen, das wäre das Ende. Und dann der Mangel an Sauerstoff, das ist eigentlich am unangenehmsten. Dort donnert es den ganzen Tag - man sieht aber nichts. Solche Lawinen kann man im Film gar nicht zeigen, da kommt die halbe Zugspitze daher.

Wie haben Sie und Messner zusammengefunden?/i>

Er hat mir 2004 einen Brief geschrieben. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm etwas zu machen. Wir haben uns getroffen, aber es war noch nichts Konkretes. 2005 wurden die Überreste seines Bruders gefunden. Die gesamte Familie, fast dreißig Personen, ist zum Nanga Parbat gereist und hat den Bruder nach tibetischer Tradition verbrannt. Mittlerweile kannte ich die Familie, und nicht einer dachte, dass Reinhold nicht die Wahrheit sagen würde. Mit ihm selbst habe ich fast nie über das Thema gesprochen. Es gab beim Dreh bestimmte Situationen, in denen er weggegangen ist. Ich habe gemerkt, dass er heute noch darunter leidet. Er gibt aber nichts von sich preis, das macht er mit sich selbst aus.

War es Ihr Anliegen, Messner von den Vorwürfen zu entlasten, die man ihm seit damals macht?

Nein. Ich habe lange gebraucht, um mir eine Meinung zu bilden. Nach allem, was ich heute weiß, halte ich es nicht für möglich, dass er seinen Bruder im Stich gelassen hätte.

Haben Sie die Strapazen der Dreharbeiten unter extremen Bedingungen nicht abgeschreckt?

Als ich das damals zu Hause gesagt habe, haben meine Kinder gelacht. Du alter Depp, was willst du denn noch da oben auf dem Berg? Ich habe mitgelacht, aber ich wusste, ich mache das. Für mich war Reinhold Messner der große Unbekannte, den ich ergründen wollte. Ich habe viel gelitten, aber was ich dort erlebt habe, war ein Riesenausgleich. Messner macht das alles gar nichts aus. Als wir am letzten Tag unsere Sachen zusammenpackten, ist er mit seinem Sohn Simon früh um vier aufgestanden und einen 6000er hoch. Nachmittags um vier war er wieder da.

Hat es zwischen den Alphamännchen Vilsmaier und Messner nie Auseinandersetzungen gegeben?

Nein. Es gab höchstens mal Diskussionen um Details. Wenn man den Eispickel falsch hält, merkt das jeder Bergsteiger sofort. Als wir den Aufstieg geschnitten haben, nahm ich ein paar Aufnahmen von dieser und von jener Seite des Berges. Er ist fuchsteufelswild geworden, wenn der Berg nicht aus der Sicht gezeigt wurde, wie sie der Bergsteiger sieht. Im Film stimmt jetzt aber alles eins zu eins. Ich glaube, wir haben beide gespürt, dass nichts mehr geht, wenn es einmal scheppert. Ich bin genauso stur wie er.

Kennen Sie Messners Überlebens-Geheimnis?

Er hat diesen Instinkt, sonst würde er nicht überleben. Es gibt keinen Bergsteiger, der dasselbe gemacht hat wie er und dabei 65 geworden ist. Er sagte immer: "Wenn ich da hochgehe, 100 Meter unter dem Gipfel eines 8000ers bin und plötzlich ein ungutes Gefühl habe, kehre ich um, auch wenn der Ehrgeiz sagt, die 100 Meter schaffst du jetzt noch." Darum lebt er noch.

Was haben die Berge in Ihnen bewirkt?

Dass ich jetzt sofort das Meer brauche! Natürlich hat man auf den Gipfeln des Himalaja eine andere Art von Weite, die man vielleicht nur einmal im Leben erlebt. Heute könnte man wegen der schwierigen politischen Situation gar nicht mehr dahinfahren. Hätten wir zuerst die Szenen in Europa gedreht und dann erst in Pakistan, hätten wir den Film einstampfen können. Man kann am Mont Blanc nicht den Nanga Parbat drehen.

"Nanga Parbat" kommt an diesem Donnerstag in die Kinos