So sieht Jonathan Meese Hegel (Ausschnitt). Foto: Hegel-Haus/Jonathan Meese

Eigentlich ist Jonathan Meese selbst Kunst. Im Stuttgarter Hegel-Haus zeigt er, was ihm zu Hegel in den Sinn kam. Mit Verstand kommt man dem nicht bei – höchstens mit Gelassenheit.

Stuttgart - Würde man nach Hegel fragen, würden die einen vielleicht das Stichwort Idealismus in den Ring werfen und die anderen sich vage an „These-Antithese-Synthese“ erinnern. Warum aber nicht an das Naheliegende denken? Auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der 1770 in Stuttgart geboren wurde, war einst ein Baby. Eigentlich kein so abwegiger Gedanke, wenn man im Hegel Haus steht, wo er geboren wurde. Trotzdem ist es irritierend, dass Jonathan Meese auf seinen Hegel-Zeichnungen an Hegel als Baby und Hegel als Jungen erinnert – neben allerhand anderen Aspekten, die ihm in den Kopf kamen: Hegel als Häuptling oder Hegel als Erzhegel. Im Keller des Hegel-Hauses zeigt Jonathan Meese in einer Ausstellung, was ihm zu dem Stuttgarter Philosophen in den Sinn kam.

Eigentlich ist Meese selbst seine Kunst

Das ist ungewöhnlich, denn meistens steht nicht das Werk, sondern der Künstler selbst im Fokus. Meese bezeichnet sich selbst als Kunstfigur, nennt sein Leben eine Dauerperformance – und hat sich mit Adidas-Trainingsjacke, langen Haaren und Zottelbart längst zur wiedererkennbaren Marke stilisiert. Seine Arbeiten lassen sich dagegen nur schwer auf einen Nenner bringen. Meese ist ein Sammler und Bastler, er klebt und schnippelt gern, malt, kritzelt und schreibt, so auch bei seinen Grafiken, die für einen Gesprächsband über Hegels Bedeutung entstanden sind.

Meese arbeitet sich an Männerbildern ab

Jonathan Meese ist keiner, der Dinge kritisch analysiert oder substanzielle Thesen lieferte. Im Gegenteil frönt er einer freien, unbekümmerten, fast kindlichen Fantasie und geht assoziativ vor. Die Winkelzüge seiner Fantasie führen ihn oft zu realen oder fiktiven Figuren und Typen, vor allem an Männerbildern scheint er sich abzuarbeiten, diesmal sind es Dr. Mabuse und etwa Marquis de Sade, die ihm zu Hegel in den Sinn kamen.

Ein Manifest zu Hegel

Meese ist ein Weltverbesserer, der bei aller Verspieltheit durchaus ernsthaft am Werk ist und fast gebetsmühlenartig seinen Kunstbegriff und die Funktion der Kunst repetiert. So hat er auch zu Hegel ein Manifest formuliert, das stakkatohaft Thesen in die Welt schleudert: „Was geht Ahab?“ heißt es da, „KUNST BEFREIT ALLE(S) OHNE FALSCH!“

Aus Hegel wird Tegel

Meese kreist vor allem um sich selbst. Seine Arbeiten einfach nur an die Wand zu hängen mit dem Hinweis, dass er „einer der wichtigsten Gegenwartskünstler“ sei, ist schon kühn und nicht sehr publikumsorientiert. Meeses Werk kommt man am ehesten bei, wenn man es nicht ganz so ernst nimmt und Lust mitbringt, seinen Pirouetten zu folgen, auch wenn sie zu keinem Ergebnis zu führen scheinen. Wobei es durchaus sein kann, dass in seinen Assoziationen ein Fünkchen Wahrheit steckt. Zumindest sind seine Sprachspiele amüsant, bei denen aus Hegel Egel wird und schließlich Tegel - „Kunst lässt die Kuh fliegen“.

Jonathan Meese: Häuptling Erzhegel. Im Hegel-Haus, Stuttgart bis 30.1.2022, montags bis sonntags, 10– 13 Uhr und 14– 18 Uhr, weitere Infos unter www.hegel-haus.de.