Pfarrer Jonas Helbig weiß noch nicht, wie er seine freie Zeit ausfüllt – aber er ist sicher, dass er etwas findet. Foto: Waltraud Daniela Engel

Jonas Helbig verabschiedet sich in den Ruhestand. Sein Engagement in Vaihingen ging in den letzten 25 Jahren weit über Gottesdienste, Trauungen und Taufen hinaus.

Vaihingen - Der Abschied aus seiner Gemeinde geht ihm merklich an die Nieren. Seitdem vor rund einem dreiviertel Jahr der Brief kam, in dem Pfarrer Jonas Helbig seinen letzten Arbeitstag erfuhr, musste er schon zahlreiche Abschiede begehen: „Irgendwie bin ich froh, dass mit meinem letzten Gottesdienst am 30. April das Abschiednehmen ein Ende hat“, sagt Helbig. Zwischen dem Brief und dem Gottesdienst lagen zahlreiche „letzte Male“: Eine letzte gemeinsame Feierstunde mit dem Behindertenzentrum auf dem Fasanenhof, ein letzter Weihnachtsgottesdienst, gerade noch einmal Ostern und eine letzte Konfirmation.

Diese Zeitrechnung sei ihm quasi auferlegt worden. Wenn es nämlich nach dem 65-Jährigen gegangen wäre, hätte er sich durchaus weitere fünf Jahre als Gemeindepfarrer in Vaihingen vorstellen können, statt in den Ruhestand zu gehen. „Ich empfinde schon den Begriff als ungeeignet. Es beginnt einfach ein neuer Lebensabschnitt“, betont Helbig. Schließlich sah er seinen Beruf nie als Job, sondern immer als Berufung.

Zunächst brach er sein Theologiestudium ab

Doch der Weg zu dieser Einsicht war für den 65-Jährigen nicht leicht. Als er nach dem Abitur mit dem damaligen Ortspfarrer von Sigmaringen, wo Helbig aufgewachsen ist, ein Gespräch über die Zukunft führte und dieser ihm nahe legte, Pfarrer zu werden, fehlte dem jungen Mann zunächst das Zutrauen in sich selbst. Er entschloss sich dennoch zum Theologiestudium, was er aus Zweifeln nach nur zwei Semestern wieder abbrach. „Mit Freunden reiste ich in die Sahelzone, um dort bei der Entwicklungsarbeit zu helfen“, erzählt Helbig. Dort traf die Gruppe auf Missionare aus Haigerloch, deren Arbeit Jonas Helbig so beeindruckt hat, dass er nach seiner Rückkehr das Studium fortsetzte und letztlich doch Pfarrer wurde.

„Ich durfte Wegbegleiter für so viele Menschen sein“, sagt Helbig. Neben Paaren, die er trauen durfte, Familien in Vaihingen, deren Kinder er getauft und konfirmiert hat, oder auch Angehörigen, deren Trauerprozess er begleiten durfte, verlor der 65-Jährige auch nie den Blick für das große Ganze. Deshalb engagierte sich Jonas Helbig nicht nur jahrelang als Notfallseelsorger, sondern auch gerade in den vergangenen Jahren wieder verstärkt in der Arbeit mit Flüchtlingen. „Wir sollten unsere Energien bündeln, um zu helfen“, sagt Helbig und meint damit auch, den traumatisierten Helfern unter die Arme zu greifen. Für ihn seien diese Begegnungen immer das Schönste an seinem Beruf gewesen. Zusammen mit Menschen zu feiern, zu schweigen, zu weinen oder zu lachen – und am Ende die Dankbarkeit in ihren Augen dafür zu sehen, sei die Essenz seiner Berufung. „Es ist ein Geschenk, so etwas zu erleben“, sagt Helbig. Das sei auch der Faktor, der ihm im Ruhestand am meisten fehlen werde.

Pfarrer Helbig wird Stuttgart verlassen

Fast zeitgleich mit dem Ende seiner Dienstzeit verlässt Jonas Helbig nicht nur die Kirchengemeinde, sondern auch Stuttgart. Zusammen mit seiner Frau und zwei Freunden plant er, in Bad Wildbad im Schwarzwald sesshaft zu werden. „Aber Vaihingen ist ja nicht aus der Welt“, sagt Helbig und lacht. Konkrete Pläne für die Zeit nach dem 1. Mai habe er allerdings noch nicht. „Sicherlich werde ich in nicht allzu ferner Zukunft meine Fühler in Wildbad ausstrecken und schauen, ob ich mich dort ehrenamtlich engagieren kann“, sagt der baldige Pfarrer i.R.