John Lasseter galt bislang Filmfreunden in aller Welt als Garant geschliffenen Erzählens. Nun kommen schwere Vorwürfe ans Licht. Foto: AFP

John Lasseter hat Pixar groß gemacht und Disney gerettet. Nun werden dem Animationsregisseur und Hitproduzenten fortgesetzte Übergriffe gegen weibliche Untergebene vorgeworfen.

Stuttgart - Hollywood hat viele große Egos, aber nicht ganz so viele wichtige Köpfe. Zu jenen, die das Kino und das Kinogeschäft maßgeblich verändert haben, gehört John Lasseter, Jahrgang 1957. Er steckte als kreativer Kopf hinter dem spektakulären Aufstieg des Animationsstudios Pixar („Toy Story“, „Findet Nemo“). Als dann 2006 die Disney Studios Pixar kauften, um nicht von Pixar erdrückt zu werden, gehörte Lasseter zu jenen, die aus dem schwer angeschlagenen Sanierungsfall Disney das mächtigste Studio Hollywoods machten. Nun aber hat er angekündigt, er werde seine Ämter und Tätigkeiten für sechs Monate ruhen lassen, und bedauere es sehr, falls Angestellte bei Pixar einiges an seinen Worten und seinem Verhalten missverstanden haben sollten. Lasseter ist ein Beschuldigter in jener Outing-Welle sexueller Belästiger geworden, die nicht nur durch die Unterhaltungsindustrie fegt.

Lasseters Taktik, scheinbar selbst die Initiative zu ergreifen und sich optimistisch ein Datum der Rückkehr ins operative Geschäft zu setzen, könnte zur Annahme verleiten, sein Fall sei weniger gravierend als der von Produzent Harvey Weinstein, Schauspieler Kevin Spacey, Amazon-Studioboss Roy Price oder Edel-TV-Talker Charlie Rose, die wohl auf Dauer aus ihren Karrieren geworfenwurden. Kinofreunde in aller Welt würden das nur all zu gerne glauben. Der Computeranimationspionier Pixars Mischungen aus Witz, Intelligenz, Bilderfindungskraft und Herz zählen zum Schönsten, was das Kino Kindern und Erwachsenen zu bieten hat.

Übergriffig ohne Grenzen

Ein Blick in die amerikanische Branchenpresse zeichnet aber ein düsteres Bild von Lasseter ganz anderes Bild. Der ist Enthüllungsgeschichten wohl nur knapp zuvorgekommen. Schon seit zwanzig Jahren, steht nun in „Variety“ und dem „Hollywood Reporter“ zu lesen, würden alle weiblichen Neueinstellungen bei Pixar vor Lasseter gewarnt. Dessen Übergriffigkeit kenne kaum Grenzen, in den letzten Jahren sei große Unbeherrschtheit auch bei sehr öffentlichen Anlässen, befördert durch Alkoholkonsum, hinzugekommen.

Bei Animationsstudenten weltweit galten Pixar und unter Lasseter auch wieder Disney als Traumadressen für einen künftigen Job. Nirgends sonst, hieß es, werde so sorgfältig, so liebevoll noch an bereits sehr guten Filmen gefeilt. Als Hüter dieses Geistes des Erzählens galt eben Lasseter, der einst bei Disney als Animator hinausgeworfen worden war, weil er im damals noch ganz dem traditionellen Zeichentrick verpflichteten Studio den Computer als Gestaltungsmittel der Zukunft hatte durchsetzen wollen. So steht nun wohl jeder, der Filme mag, ratloser und erschütterter da als je zuvor in dieser Phase schockierender Enthüllungen aus Hollywood.