Jörn Birkmann zu Hause in Heumaden. Er hofft noch vor dem Winter auf eine neue Heizung. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Jörn Birkmann hat am Weltklimabericht mitgeschrieben und begleitet den Wiederaufbau an der Ahr. Er kennt die Verwundbarkeiten durch den Klimawandel. Welche Auswirkungen hat das auf seinen Lebensstil daheim in Heumaden?

Ein Klimaforscher ist eben auch nur ein Mensch. Seit 6 Uhr sei er schon auf den Beinen, morgens werde das Mittagessen gekocht für die Töchter, weil sie die Schulmensa verweigern. Der Tag startet früh und endet spät im Hause Birkmann. „Man muss sehen, was man neben den täglichen Herausforderungen noch so schafft“, sagt Jörn Birkmann. Der Alltag lässt wenig Raum, sich auch noch über das eigene Heizsystem Gedanken zu machen. Selbst wenn man wie er Klimawissenschaftler ist.

 

Wer erwartet, dass das Zuhause von einem wie Professor Birkmann energetisch sicherlich auf dem neuesten Stand ist, merkt: Ihm geht es nicht anders als anderen. Sie hätten das Reiheneckhaus in Stuttgart-Heumaden vor sieben Jahren gekauft und zumindest das Dach gedämmt und Fenster gewechselt . Aber im kleinen Garten ist nach wie vor ein Öltank vergraben, und auf dem Dach bisher keine Solarzelle . Auch das dürfte vielen bekannt vorkommen. Nach so einem Hauskauf sei das auch eine Frage des Budgets, sagt Jörn Birkmann.

Heizung vor dem Winter tauschen

Das habe sich nun wieder entspannt. Die Heizung nimmt er gerade in Angriff. In den nächsten Tagen wird geprüft, ob eine Wärmepumpe kombiniert mit Photovoltaik effizient genug wäre. Sein Ziel: Schon in diesem Winterhalbjahr klimafreundlicher heizen.

Birkmann, 51, der einen Lehrstuhl an der Universität Stuttgart hat, hat als Leitautor am Weltklimabericht mitgeschrieben , und er begleitet den Wiederaufbau im Ahrtal wissenschaftlich. Er sagt: „Die Auswirkungen des Klimawandels sind schon sehr spürbar.“ Doch welche Folgen hat das für sein eigenes Leben?

Jörn Birkmann im Ahrtal Foto: Archiv/privat

„Wir sind keine Vorzeige-Ökologen“ , sagt er. „Aber meine Haltung ist, dass ich versuche, den Alltag anders zu organisieren.“ Beim Einkaufen, mit dem E-Bike, mit Urlaub am Bodensee statt auf Mallorca. Sie hätten ein altes Auto, u nd nun haben sie ja hoffentlich bald eine neue Heizung.

Aber klar, als Wissenschaftler ist er viel unterwegs, auch mit dem Flugzeug. „Da mache ich mir schon so meine Gedanken.“ Oft sei der Besuch vor Ort sehr wertvoll. Gerade in den drei Jahren, als er mit 270 anderen Forschenden aus 67 Ländern am Bericht für den Weltklimarat geschrieben habe. Man versuche inzwischen aber, sich weniger und dafür länger zu treffen.

Als Verantwortlicher für eines von 18 Kapiteln hat Birkmann von 2019 bis 2022 mit anderen die relevante Literatur zu Verwundbarkeiten durch sowie Anpassungen an den Klimawandel zusammengetragen und bewertet. Die meiste Arbeit machten die Kommentierungen – 62 418 an der Zahl. Alle mussten für die Endfassung bearbeitet werden. „Dadurch wird das Ganze aber auch besser und robuster.“ Es war ein Ehrenamt, aber freilich eines, das den Lebenslauf schmückt. Was nicht heißen soll, dass sich Jörn Birkmann aus Stuttgart wegbewerben will, im Gegenteil. Er fühlt sich wohl.

Forscher ist oft im Ahrtal nach der Katastrophe

Bevor er den Lehrstuhl für Raumordnung und Entwicklungsplanung übernommen hat, arbeitete er zehn Jahre für die UN in Bonn. Zuvor hatte er Raumplanung in Dortmund studiert. Während Kommilitonen von damals heute etwa Golfplätze oder Immobilien planen, hat ihn die Zukunft von Städten mehr in den Bann gezogen. „Ein Umweltinteresse war schon immer vorhanden“, sagt er. Im November erhält er den Umwelt- und Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Wissenschaft des Netzwerks B.A.U.M. für nachhaltiges Wirtschaften.

Natürlich gehört zum Job eines Professors auch, Vorlesungen zu halten, Klausuren zu korrigieren und Noten zu vergeben. Immer wieder hat Jörn Birkmann aber die Gelegenheit, Theorie und Praxis abzugleichen. Wenn er an die Ahr fährt, sich anschaut, wie der Wiederaufbau läuft und seine Expertise dazu abgibt. Ganz aktuell liegt auf seinem Tisch ein besonders kniffliger Fall.

Eine Gemeinde an der Ahr hat offenbar den Wiederaufbau eines Kindergartens in der gelben Zone genehmigt. In der gelben Zone sollte nach der Hochwasserkatastrophe eigentlich gar kein Gebäude mehr aufgebaut werden. Seine Einschätzung: „Bei Fließgeschwindigkeiten, wie wir sie an der Ahr hatten, würden die Kinder dort leicht mitgerissen.“ Weil das zuständige Ministerium für den Wiederaufbau keine direkte Handhabe sehe, sei er nun gebeten worden, doch mal mit dem Bürgermeister zu reden. „Man kommt schon in sehr konkrete Problemstellungen.“ Aber genau dieser Spagat macht es für ihn aus. Zwischen Vereinten Nationen und Bürgermeisterzimmer.

Seine Töchter sind übrigens nicht bei Fridays for Future, nehmen aber an Demos teil. Sie seien sensibilisiert. Man kann sich ja denken, worüber am Heumadener Abendbrottisch gesprochen wird, wenn der Papa frisch aus dem Ahrtal zurückkommt. „Was wir den Kindern schon mitgegeben haben: Man kann nicht immer nur haben und man muss sparsam mit Dingen umgehen.“