Der Zeichner F.W. Bernstein illustrierte das Buch „Kriemhilds Lache“ mit verschiedenen Zeichungen. Foto: Bernstein

Die Autoren von „Kriemhilds Lache“, Jörg Schröder und Barbara Kalender, kommen nach Stuttgart

Stuttgart - Auf den Mund gefallen sind Jörg Schröder und Barbara Kalender ganz und gar nicht. Schröder, der mit dem März-Verlag ein unkonventionelles Stück deutscher Literaturgeschichte schrieb, erzählt gerne aus dem Leben, immer gemeinsam mit seiner Partnerin – und das heißt: Beider Stimmen verschmelzen zu einer – so, wie das sonst nur bei französischen Philosophen geschieht. Und diese Stimme lästert, räsoniert, ergeht sich in Anekdoten, Abschweifungen, Alltagsbetrachtungen, Exkursen zur linken Historie, in Spott und Bissigkeit. Das liest sich dann heiter im taz-Blog von Schröder und Kalender oder in ihrem Großwerk „Schröder erzählt“. Dieses Werk wächst und wächst, mehr als 60 Folgen und 3000 Seiten umfasst es schon. Schröder-Fans erhalten es als Subskription, der Verleger Schröder selbst liefert es mit der Sackkarre aus. Am 24. Oktober 2013 nun feierte Jörg Schröder seinen 75. Geburtstag und beschenkte sich mit einem Band für den Buchhandel. „Kriemhilds Lache“ erschien im Verbrecher-Verlag (261 S., 26 Euro) und hat viele kleine Bilder. Denn der Zeichner und Satiriker F.W. Bernstein, ein Vertreter der Neuen Frankfurter Schule und Mitbegründer der „Titanic“, spickte das Buch mit seinen frechen und skurrilen Zeichnungen. Man liest, man sieht, man staunt, muss manchmal lauthals lachen und lernt dabei noch einiges dazu.

 

Denn Jörg Schröder kennt das linke deutsche Verlegertum. Gemeinsam mit Barbara Kalender hat er viel erlebt, traf viele Menschen, reiste umher, manchmal auch nach Baden-Württemberg. Die gelb eingeschlagenen Bände seines März-Verlages waren in den 1970er Jahren aus linken Haushalten nicht wegzudenken - „Die Reise“ hieß eines dieser Bücher, sein Autor war Bernward Vesper, einst verlobt mit Gudrun Ensslin. Aber auch Leonard Cohen, Robert Crumb, Rolf Dieter Brinkmann, Wolfgang Neuss, Hermann Nitsch, Carlos Castaneda, Ken Kesey, Upton Sinclair erschienen bei März – nebst Peter Chotjewitz, der irgendwann nach Stuttgart zog. Oder Manfred Esser, der aus Stuttgart kam.

Rund 26 Jahre nachdem der März Verlag liquidiert wurde und sein Archiv ins Deutsche Literaturarchiv Marbach wanderte, ist das Paar Schröder/Kalender alles andere als ein nostalgisches Überbleibsel der 68er . Die Texte, die es schreibt, sind treffend beobachtet, sehr lebhaft, oft etwas launisch und manchmal schlicht böse. Sie erzählen von aggressiven Fahrradfahrern, von Schuhen, Stromausfällen, Italienern, gutem Wein und guten Schuhen, Riesenschlangen, unreinlichen Managern und von Katholiken, die ein Kreuz schlagen, was Schröder und Kalender in ihrer eigenen Illustration selbst simpel und clever als Diagramm darstellen: „Nase, Blase, Brieftasche, Uhr“ - wobei die Uhr dabei natürlich in der Westentasche steckt.

In ihren Erzählungen trifft man auf Buchhändler, die ihr Geld zwischen den Seiten ihrer Bücher verstecken, auf Esoteriker, die sich ihre Göttinnen selbst erschaffen, auf Knastbrüder, die schon vor Zeiten einen florierenden Handel mit gefälschten Doktortiteln betrieben. Das Ganze mutet an wie ein Stück deutscher Alltagsgeschichte, erzählt aus eigenwilliger, gut informierter und selbstbewusster Perspektive.

Wenn Jörg Schröder, ein Verleger, der einst die Sittenwächter auf den Plan rief und der auch heute noch gerne delikate Bildchen aus der Frühzeit der Fotografie in seinen Blog stellt, mit leisem, indigniertem Grauen die Besucher einer Erotikmesse schildert, dann ist das schließlich ein sehr treffendes Bild dafür, das sich die Zeiten wandeln – wenn auch nicht immer zum Guten.

Barbara Kalender und Jörg Schröder lesen an diesem Mittwoch 20 Uhr, Max- Bense-Forum, Stadtbibliothek Stuttgart.