Jörg Kachelmann ist zurück als Talkmoderator, aber er ist nicht mehr der Alte. Foto: MDR

Erstmals seit seiner Verhaftung im Jahr 2010 einer Falschanschuldigung wegen hat Jörg Kachelmann im öffentlich-rechtlichen Fernsehen moderiert. Locker hat er in der Talkshow „Riverboat“ nicht gewirkt. Aber das Schlimmste wurde verhindert.

Stuttgart - Hätte die Talkrunde mit dem Trüffelexperten Gunter Kahlo begonnen, der seinen Trüffelsuchhund mit ins Studio des MDR gebracht hatte, oder mit dem Tierfilmer Andreas Kieling, der später Interessantes zu sagen wusste, vielleicht wäre Jörg Kachelmann bei seinem Comeback als Ko-Moderator von „Riverboat“ auf andere Gedanken gekommen. So aber ging es am Freitagabend mit dem Sänger und DDR-Altstar Gunther Emmerlich los, einem freundlichen Herrn, der dröhnend langweilig von Stimmbruch, Silvesterauftritten und Thüringer Klößen erzählte.

Da musste etwas passieren. Aber vielleicht nicht unbedingt, dass Kachelmann Emmerlich mit Fragen zu Frauenbeziehungen zusetzte. „Sie sind ja für Ihr Alter immer noch ein erhebliches Geschoss“, formulierte er, und wollte wissen, was eine Frau für Emmerlich denn mitbringen müsse.

Theorie und Praxis

Vielleicht wollte Kachelmann damit signalisieren: „Ja, ich darf wieder alles.“ Was theoretisch ein sympathischer Ansatz ist. Wer einer Straftat beschuldigt, in einem Gerichtsverfahren aber freigesprochen wird, sollte sein gewohntes Leben wieder aufnehmen können. Kachelmanns Karriere entgleiste 2010, als er in Haft genommen wurde, weil eine Ex-Freundin ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Zwar wurde er 2011 im Strafverfahren freigesprochen und konnte in einem Zivilverfahren Schadenersatz erstreiten. Aber wie spät er nun ins öffentlich-rechtliche Fernsehen zurückkehrt, das verdeutlicht den Unterschied zwischen hehrer Theorie und Praxis.

Einst wurde Jörg Kachelmann seines lockeren, flapsigen Auftretens wegen von vielen gemocht. Nun saß der 60-Jährige, um einiges schwerer geworden, in einer Ich-bin-ganz-ruhig-und-sicher-Pose vor den Gästen, die fürchten ließ, er werde gleich vor Anspannung platzen. Sein Lächeln wirkt mittlerweile lebendig wie ein Kühlergrill, sein Smalltalk schräg wie die Rumba eines beflissenen, aber unmusikalischen Tanzschülers: Alle Bewegungen sind da, aber keine fließt.

Mit der Tür ins Haus

Kachelmann kann wohl gar nicht anders, als daran zu denken, wie viel Intimes aus seinem Leben nach seiner Verhaftung an die Öffentlichkeit kam. Und wie aggressiv, moralisierend, (vor)verurteilungslüstern alles in den sozialen Netzwerken und manchen Medien breitgetreten wurde. Vielleicht war es also die bewusste Erhebung des Anspruchs, dass es kein für ihn verbotenes Gesprächsterrain geben dürfe, dass er sofort auch mit der Schauspielerin Adele Neuhauser, die als Wiener „Tatort“-Kommissarin Bibi Fellner bekannt ist, über Beziehungen sprechen wollte. „Ich falle dann mal gleich mit der Tür ins Haus“, wie er selbst merkte. In diesem Moment schien es gewiss, dass die Show künftig statt „Riverboat“ eher „Fettnapf“ heißen sollte.

Es war dann aber Neuhausers charmanter, schlagfertiger Art zu verdanken, dass das Gespräch nicht entgleiste, ja sogar, dass Kachelmann ein klein wenig entkrampfte. Der Rest der zwei Stunden unter anderem mit Stefanie Stappenbeck, Rüdiger Hoffmann und Helmut Lotti verlief harmlos belanglos, wie solche Runden meist. Nein, „Riverboat“ wird mit dem Duo Kim Fisher und Jörg Kachelmann in absehbarer Zeit kaum zur Sternstunde öffentlich-rechtlicher Unterhaltung werden. Aber dass Kachelmann zurück in seinem alten Beruf ist, darf man eben nicht bloß als Entertainmentangebot sehen. Sondern als Erinnerung an die Regeln und Ideale des Rechtsstaats.