Jörg Ilzhöfer auf dem Balkon seines neuen Domizils mit Blick auf die Markthalle Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Während der Marktplatz in Stuttgart gastronomische Einöde bleibt, tut sich in unmittelbarer Nachbarschaft einiges. Die spannendsten Projekte: Ilzhöfers Kochschule bei Tritschler und Lausterer trifft Taos.

Stuttgart - Es sei schon ein „bissle traurig“ sagt Jörg Ilzhöfer beim Blick von seinem neuen Domizil hinunter auf den menschenleeren Marktplatz. „Wo es lebt, da lebt’s. Man kann ja auch schön sterben.“ Siebeneinhalb Jahre lang war Ilzhöfer Chef seiner eigenen Kochschule am Hafenmarkt in Esslingen, ständig flankiert von drei, vier Gastrobetrieben. Jetzt hat er sich mit Thomas Breuninger, dem Inhaber des Haushaltwarengeschäfts Tritschler zusammengetan. „Ich hab lang gebaggert, bis er sich hat erweichen lassen“, sagt Breuninger, der die Kochschule auch als Plattform sieht, seine Produkte erlebbar zu machen und sich für den Marktplatz im Übrigen weniger einen hellen Bodenbelag, sondern lieber mehr Passanten wünscht.

In nur vier Wochen wurde der vierte Stock komplett umgebaut. Im edlen Ambiente – weiße Kochinseln, holzvertäfelte Wände, bodentiefe Fenster – können bis zu 30 Menschen kochen, backen, sich austauschen. Rund 250 000 Euro hat die Renovierung und Einrichtung gekostet, Anfang Mai fand der erste Kurs statt, und die Nachfrage ist offenbar beachtlich. In Esslingen hatte Ilzhöfer eine Auslastung von 100 Prozent, wie er sagt, und dieses Ziel hat er sich auch für Stuttgart gesetzt. Fünf- bis sechsmal die Woche soll es Kurse geben, mit verschiedenen Gastköchen, die Hälfte davon angelegt als Events für Privatleute und Firmen.

Auch Aktionen mit Kessler sind geplant

Zunächst aber steht der umtriebige Schwabe auf dem Balkon mit der imposanten Aussicht auf das Dach der Markthalle und den Turm der Stiftskirche. Der gelernte Koch und Hotelier will in seiner neuen Wirkungsstätte Zeichen setzen. Deshalb hat er den Turmbläsern vorige Woche einen Frühstückskorb nach oben getragen und dem netten Team vom Marktstand (die einzigen, die Dill hatten) eine Flasche Sekt spendiert. Überhaupt der Sekt: Da die Kochkurse jeweils nur einen kleineren Kreis erreichen, wollen Ilzhöfer und Breuninger künftig „an ausgesuchten Samstagen“ von 10 bis 14 Uhr den vierten Stock und seine Aussicht öffnen – als Treffpunkt für Marktbesucher und Stadtbummler bei einem Gläschen, einer Butterbrezel oder einem Zwiebelküchle. Was im Innenhof von Kessler in Esslingen bestens funktioniert, müsste doch auch in der Landeshauptstadt möglich sein. Spätestens nächstes Jahr soll es jeden zweiten Samstag heißen „Ilzhöfer meets Kessler“.

Eine große Theke, an der die Gäste ein kühles Pils oder ein schönes Glas Wein trinken können, schwebt auch Alexander Dohnt, dem neuen Pächter des Bistros Lausterer in der Bärenstraße vor. Der Chef der Taos Bar in Schorndorf und der Taos Lodge im Zelt von Klauss & Klauss auf dem Volksfest will das Traditionslokal behutsam modernisieren, den Namen hat er bereits geändert: Taos Winebar by Lausterer. Stammgäste des Lausterers werden weiter Maultaschen, Fleischküchle und das legendäre angebratene Tatar auf der Karte finden, und auch das Personal bleibt dasselbe.

Neue Besucher will Dohnt, der mittags persönlich Hände schüttelt, mit seiner Taos-Philosophie gewinnen: hochwertige Weine aus der Region, von der Mosel und aus Österreich und sehr gerne in Großflaschen. Offiziell hat er das Bistro Anfang Mai von Henny Stamer übernommen. Vorerst läuft der Betrieb wie gehabt, Mitte Juni bis Ende August wird das Lausterer geschlossen, dann wird umgebaut. Die neue Theke kommt, die alten Emaille-Schilder dürfen bleiben.

Dem Café Scholz wird weiter nachgetrauert

Ilzhöfers Kochschule, die Taos Winebar by Lausterer und im weiteren Sinne auch Herr Kächeles Maultaschen-Stehcafé bei Korbmayer in der Schulstraße, das Mitte Juli starten soll, sind die jüngsten Beispiele einer Entwicklung in kleinen Schritten. Während viele noch immer dem Café Scholz hinterhertrauern, etablieren sich rund um die Markthalle neue gastronomische Orte, die zur feinen Pause einladen. Orte, die bisher in der City schmerzlich vermisst wurden.

Dazu gehört neben dem Nesenbach an der Ecke Markthalle / Karlsplatz auch das Eduard’s im Erdgeschoss von Breuninger, das sowohl im Inneren als auch draußen von erhöhten Pflaster des Dorotheen-Quartiers einen entspannten Blick auf die Flaneure bietet. Die Tages- und Cocktailbar, die vor einem knappen Jahr eröffnet hat, ist nach dem Firmengründer Eduard Breuninger benannt und steht für die neue Strategie des Kaufhauses, die Kunden nicht nur mit exklusiver Mode sondern auch mit erlesener Gastronomie zu locken. Höhepunkt vor kurzem: die Küchenparty „Fashion meets Food in der Abteilung Wohnen mit deutschlandweit bekannten Sterneköchen.

Erlesen geht es auch zu im hinteren Teil der Markthalle, wo aufgeschlossene Schwaben an der Bar im französisch inspirierten Ambiente ganz ungeniert Champagner und Austern schlürfen können. Rund 500 000 Euro hat Holger Looß, der auch die übrige Markthalle gastronomisch bespielt (Empore, Desirée, Marktstüble), in den Umbau des ehemaligen Fischstands von Rüdiger Stock investiert.

Zurück zu Tritschler: An die frisch gestrichene Wand seiner neuen Wirkungsstätte hat Ilzhöfer einen gerahmten Brief aus dem Buckingham Palace vom Juni 2015 gehängt. Leider, so heißt es da, könnten die Queen und der Duke von Edinburgh seine Kochschule in Esslingen nicht besuchen. Man danke „Dear Mr Ilzhofer“ aber für die Einladung. Auch wenn es mit der Queen nicht geklappt hat: Ein gewisses Selbstbewusstsein kann nicht schaden.