Finale mit Blumen und Joe Bauer (2. von li., mit Hut), ohne den es die „Nacht der Lieder“ nicht gäbe. Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

Es ist schön, etwas Gutes zu tun. Noch schöner ist es, wenn man sich damit auch selbst etwas Gutes tut. Hier eine Empfehlung für eine ganz besondere Benefizveranstaltung.

Stuttgart - Warum kauft der Mensch seine Karotten im Bioladen ein? Weil er für die Umwelt und sich selbst etwas Gutes tun will. Dieses Zusammenspiel ist der Grund, dass die Karotte doppelt so gut schmeckt.

Auf die Höhepunkte blicken – gar nicht so einfach

Vielleicht ist das plumpe Küchenpsychologie, aber so ganz falsch liegt man damit nicht. Aus diesem Grund wollen wir Ihnen auch eine Veranstaltung ans Herz legen, durch deren Besuch Sie auf zweifache Weise was Gutes tun. Für von der Pandemie Betroffene in der Kunst- und Kulturarbeit, aber auch für sich selbst. Die Rede ist von der Benefizveranstaltung „Nacht der Lieder“, die im Dezember an zwei Abenden zum 20. Mal über die Bühne geht. Natürlich unter Coronabedingungen, die nach jetzigem Stand (Montag, 22. November, 17 Uhr) lauten: Zutritt haben nur Geimpfte oder Genesene. Und während der Vorstellung muss man einen Mundschutz tragen. Könnte beim Jubeln störend sein. Aber geklatscht wird ja nach wie vor mit den Händen.

Um die Werbetrommel zu rühren, könnte man auf die Höhepunkte der vergangenen Jahrzehnte zurückzublicken. Aber das ist gar nicht so einfach. Wo soll man da anfangen, wo aufhören? Klar, da kommt einem der Tänzer, Choreograf und Entertainer Eric Gauthier in den Sinn, wie er singend, tanzend und plaudernd durch den Abend führt (und irgendwann zeigt, dass er es noch kann und aus dem Stand in den Spagat springt). Oder Cornelius Meister, im Hauptberuf Generalmusikdirektor, wie er am Klavier virtuos vom Publikum vorgeschlagene Weihnachtslieder interpretiert. Oder Jasmin Kolberg, diese Marimbaspielerin von Weltrang, die auf einem Instrument zaubert, das man sonst kaum so zu hören und zu sehen bekommt. Oder Özcan Cosar, der sich inzwischen zum Comedystar mit eigener TV-Show gemausert hat. Und die Füenf, jene A-cappella-Gruppe, die die Show so viele Jahre unterstützt hat. Als die Musiker unlängst die Auflösung der Formation bekannt gaben, schien unisono ein Oh des Bedauern zu ertönen.

Gauthier springt aus dem Stand in den Spagat

Das Finale geht nicht mehr aus dem Kopf

Menschen, die die Benefizveranstaltung zugunsten der Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten öfter schon besucht haben, werden unterschiedliche Bilder in Erinnerung halten. Aber ein Bild dürfte sich bei allen eingeprägt haben: das Finale. Wenn die Künstlerschar auf die Bühne kommt, sich verneigt und ein Mann einen Einkaufswagen mit Blumensträußen hereinschiebt.

Ein Programm, das es so nirgendwo gibt

Das Publikum hält zu dem Zeitpunkt nichts mehr auf den Plätzen. Meist steht es schon vorher, wenn es spürt, dass der Abend sich seinem Ende zuneigt, um sich vor den Darstellern zu verneigen. Und vor dem Blumenlieferanten mit dem Einkaufswagen, vor Joe Bauer, dem langjährigen Kolumnisten der Stuttgarter Nachrichten, ohne den es die „Nacht der Lieder“ nie gegeben hätte.

Ein Programm, das wohl einmalig ist

Wenn am Ende des Abends also 50 oder noch mehr Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne stehen, ist Bauers Plan aufgegangen: Er hat mal wieder ein Programm auf die Beine gestellt, bei dem „im Unterschiedlichen das Gemeinsame“ entdeckt wird. Bei dem kein Mensch an die Unterschiede zwischen U- und E-Musik gedacht hat. Ein Programm, das es so in der Stadt nirgendwo gibt. Und womöglich auch sonst nirgendwo.

Kunstfurzer trifft Elefantenwegzauberer

Warum Joe Bauer das macht? Er habe eigentlich immer versucht, ein buntes Programm zu machen, wobei er den Begriff bunt gleich wieder infrage stellt. Eigentlich, meint er, ginge es, wie im guten alten Varieté, darum, Nummern auf der Bühne zusammenzubringen, die nicht zusammenpassten. Kunstfurzer trifft Dichter Ringelnatz trifft Elefantenwegzauberer.

Gesamtkunstwerk mit kultureller Botschaft

Wenn das Programm im Lauf der Jahre immer bunter geworden sei (schon wieder das blöde Wort), dann hänge das damit zusammen, dass die Stadt selbst immer internationaler wurde, meint Bauer. „So sieht die Welt aus, die uns umgibt.“ So entstand Jahr für Jahr eine Show, die StN-Lokalchef Jan Sellner als „Gesamtkunstwerk“ bezeichnet, „dessen kulturelle Botschaft heute wichtiger ist denn je“. Eine frohe Botschaft kurz vor Weihnachten, die sich auch hinter der Bühne niederschlägt. Wenn eine Weltklasseopernsängerin und ein 15-jähriger Musikerschüler, der mit seiner Tuba auftritt, sich begegnen, sagt Joe Bauer, gibt es da keinen Standesunterschied. „Weil der Bursche mit der Tuba eben auch gut ist.“

Das Geld geht an die Künstlersoforthilfe

In diesem Jahr ist manches anders. Eric Gauthier musste passen, er ist mit seiner Company auf Reisen. Durch den Abend wird die Entertainerin Patrizia Moresco führen, die in Berlin lebt, aber den Kontakt zu Stuttgart nie abbrechen ließ. Außerdem kommt das Geld nicht der Aktion Weihnachten zugute, sondern der von Joe Bauer ins Leben gerufenen Künstlersoforthilfe, die in den vergangenen anderthalb Jahren mehr als 1,3 Millionen Euro gesammelt und verteilt hat.

In Zeiten von Corona zusammenhalten

Stillstand herrscht auch ohne Gauthiers Company nicht: Tänzerinnen und Tänzer der John-Cranko-Schule werden auftreten, die südafrikanische Sängerin Thabilé & Band, das Trio der indischen Jazz-Vokalistin Fauzia Maria Beg, die A-cappella-Band Füenf, das Percussion-Ensemble der HMDK Talkin’ Drums, das Klassik-Quartett Hanke Brothers, die Trapezartistin Vanessa Lee, die Kabarettistin Katalyn Hühnerfeld. Als Showband führt das Nacht- und Nebelorchester von Jens-Peter Abele durch den Abend. Und Joe Bauer wird erzählen, wie einst alles begann und „warum wir in Zeiten von Corona gemeinsame Sache machen müssen“.

Das gute Gefühl ist garantiert

Auch wenn in diesem Jahr manches anders ist: Das gute Gefühl ist dem Publikum garantiert. Und nicht nur, weil es durch den Kauf einer Karte etwas Gutes getan hat.

Karten für die „Nacht der Lieder“ am 7. und 8. Dezember gibt es telefonisch (07 11 / 4 02 07 20) und an den Kassen des Theaterhauses oder online unter www.theaterhaus.com.