Foto: Thewes

Wie kann man das Bad Berg für die Jüngeren attraktiver machen? Es müssen Konzepte her.

Stuttgart - Das aktuelle Musikfest der Internationalen Bachakademie widmet sich dem Motto "Wasser". Eine schöne Idee. Nirgendwo ist dieses Thema besser aufgehoben als in dieser Stadt, wo das Wasser seit jeher eine armselige Rolle spielt.

Zufällig beginnt das Konzertfestival genau ein Jahr und einen Tag nach der überfallartigen Zerstörung des Nordflügels am Hauptbahnhof. Das bedeutet nicht, dass zur Erinnerung an dieses Ereignis jetzt die Grundwassermanagement-Sinfonie gegeben würde. Mit den Mitteln der Neuen Musik könnte man sich ein Werk zum Thema durchaus vorstellen, eine Aufführung mit Eisenbahner-, Politiker- und Banditenchor, einem Dutzend Bohrmaschinen und siebzehn Kilometern rostigen Rohren. Denkbar wäre diese Instrumentierung auch in einer Oper mit dem Titel "Der Tunnelbau zu Schwaben".

Nach Stockhausens "Helikopter-Streichquartett" für vier Hubschrauber wäre dies eine Abwechslung vom langweilig tönenden Alltag. Der Grünen-Star Boris Palmer etwa, habe ich im "Rolling Stone" gelesen, hört vorzugsweise Produkte von Popnasen wie den Dire Straits, Police und Anastacia. Das ist Opas Hausmusik, ein Fall von "Nostalgie" - hielte man sich an die Grünen-Auslegung dieses Begriffs.

Hier hat man den Nesenbach zugedeckelt

Das Musikfestival ist eine einmalige Chance, auf Stuttgarts Sünden im Umgang mit seinem Wasser hinzuweisen. Hier hat man den Nesenbach zugedeckelt, obwohl er an einem göttlich klingenden Ort namens Honigwiesen entspringt. Hier hat man den Neckar ignoriert, obwohl er uns hinausführt in die Welt. Hier spielt man mit dem Gedanken, das Mineralbad Berg auszutrocknen, obwohl es manches erhitzte Hirn vor noch mehr Dummheit schützen könnte (ich weiß, verehrter Leser, bei mir hat es nicht funktioniert).

Ensembles des Musikfestes werden in den nächsten Tagen dankenswerter nicht nur vor einigen Brunnen der Stadt auftreten (mit ungewohnter Neuer Musik), sie werden auch in den Mineralbädern spielen. Das ist gut, bevor die Stadtkultur vollends flöten geht. Bekanntlich hat der Finanzbürgermeister Föll Pläne in der Schublade, die Oase Berg in sein weiträumiges Immobilienhaibecken zu integrieren. Nach der SPD im Gemeinderat haben jetzt aber auch die Rathaus-Grünen versprochen, sich für den Erhalt des Mineralbad Berg einzusetzen.

Neulich waren Grünen-Stadträte im Berg zur Besichtigung. Dabei fiel dauernd der Begriff "Nostalgie", genauso oft die Floskel "nicht zeitgemäß". Das Wort "Architektur" hörte man kein einziges Mal.

Ausdruck des politischen Zeitgeistes

Dieser Umgang mit den Dingen ist kein spezielles Grünen-Problem. Er ist Ausdruck des politischen Zeitgeistes. Mir ist nicht bekannt, wie sich Politiker "zeitgemäße" Kultur aneignen, was sie von fortschrittlichen Entwicklungen lesen, hören, sehen. Zu erkennen ist aber, wie die Öffentlichkeitsarbeiter der Grünen seit Regierungsantritt versagen. Sie beherrschen nicht die Klaviatur der Medienpolitik.

Gedankenlos und albern ist es, wenn die Grünen wie alle anderen Fortschrittsapostel von "Nostalgie" reden, wenn es um den Erhalt von urbaner Substanz und Lebensqualität geht. Auf diese Art führt man Leute, die sich mit Blick auf Gegenwart und Zukunft der Geschichte und der Vergangenheit stellen, als Gestrige vor. Als Trottel, die alten Zeiten hinterhertrauern.

Wer mit den Floskeln "Nostalgie" und "unzeitgemäß" um sich wirft, sollte sich fragen, was er selbst dafür getan hat, sich für die Zukunft zu rüsten. Anscheinend gilt als "nostalgisch", wer Qualität als Qualität und Ästhetik als Ästhetik erkennt.

Bad als kulturellen Ort inszenieren

Bisher sind noch keine Ideen aufgetaucht, das Bad Berg mit seiner einzigartigen Historie für die Lebenden (und die Jüngeren) Nische attraktiver zu machen. Es wäre etwa eine Überlegung wert, die bildschöne, leider heruntergekommene Marmorhalle mit der Elisen-Quelle als Bar zu gestalten - falls einer der NostalgieExperten in der Lage ist, das Bad als kulturellen Ort zu inszenieren, als Partybühne zu bespielen und als Wiederbelebungs-Studio für coole Zeitgenossen zu verkaufen.

Dies aber ist im Kirmes-Getrommel zeitgemäßer Stadtwerber nicht vorgesehen. Es gilt inzwischen als nostalgisch, vorhandene Schätze in der Stadt als schützenswertes Kapital zu begreifen. Weg damit!