Gesucht: Servicekräfte Foto:  

Landauf, landab sind Betriebe auf der Suche nach Fachkräften und werben um Auszubildende. In Berufen mit schlechtem Image spitzt sich die Lage noch zu.

Stuttgart - Michael Lutz engagiert sich bei einer bundesweiten Rettungsaktion für eine vom Aussterben bedrohte Art: das traditionsreiche Schuhmacherhandwerk. „In den 1990er Jahren hatte der Landesverband Baden-Württemberg noch 1200 Mitglieder, jetzt sind es nur noch 50“, sagt der Schuhmachermeister aus Vaihingen an der Enz. „Früher hatte allein die Stuttgarter Innung 200 bis 300 Mitglieder“, erzählt der Obermeister des Innungsbezirks Heilbronn, Schwarzwald, Stuttgart. Inzwischen sieht es trübe aus. „Zeitweise ist gar nicht mehr ausgebildet worden“, sagt der 50-Jährige.

Der Trend nach unten soll endlich gestoppt, der Beruf wieder attraktiver werden. Die Ausbildungsordnung wurde erneuert, das Qualifikationsniveau wie die Vergütung der Azubis erhöht. Im Sommer gehe es los unter dem neuen Namen „Maßschuhmacher“, sagt Michael Lutz, der Vizepräsident im Zentralverband des Deutschen Schuhmacher-Handwerks (ZDS) ist.

Der Traditionsberuf ist heute ein Nischenhandwerk

Natürlich gebe es auch heute noch Maßschuhmacher, die für gut betuchte, oft jüngere Kunden „hochwertige Business-Schuhe“ fertigten. Auch die verbliebenen Schuhmacher, die in großen Einzugsgebieten eine ältere und sehr dankbare Kundschaft bedienen, „haben ihr Auskommen“, weiß der Schuhmachermeister. Geprägt aber hat die Branche das Geschäft mit Billigschuhen, bei denen sich eine Reparatur gar nicht lohnt. Wenn doch, geht man zum Schnellschuhservice. Geführt werden diese Läden häufig von Migranten, die aus Ländern stammen, in denen noch eine Mangelwirtschaft herrscht und Schuhreparaturen üblich sind. Nur: „Auch diese Schnelldienste werden weniger“, sagt Obermeister Lutz.

Der Beruf des Schuhmachers ist nur einer von vielen, die unter einem deutlichen Mangel an Fachkräften und Nachwuchssorgen leiden. In einer zehnteiligen Serie stellen wir einige davon vor.

Die gute Konjunktur verschärft die Lage

Die Gründe für die missliche Lage der Branchen sind sehr verschieden. Bei manchen ist es die gute Konjunktur. „Wir haben in fast allen Handwerksberufen noch freie Ausbildungsplätze“, sagt Gerd Kistenfeger, der Sprecher der Handwerkskammer (HWK) Region Stuttgart. Dazu gehören Berufe des florierenden Baugewerbes wie Zimmerer, Dachdecker oder Maurer, die mehr Personal für die vielen Aufträge bräuchten, aber auch Augenoptiker oder Zahntechniker. Und natürlich Bäcker und Metzger, deren Gewerbe seit Langem von Betriebsaufgaben geprägt sind.

Ein Beispiel für einen durch einen Branchenboom ausgelösten Mangel: der Fachinformatiker. Noch 114 freie Plätze gibt es in der Lehrstellenbörse der IHK Region Stuttgart. „Die Betriebe bekommen die vielen Plätze, die sie anbieten, nicht voll“, sagt Ulrike Weber, die Leiterin der Ausbildungsberatung bei der IHK. Das liegt an der großen Dynamik der Digitalisierung, die weite Bereiche der Wirtschaft erfasst hat, „weil der Workflow künftig digital sein muss“, so Weber. Der Mangel führe dazu, „dass Firmen ihre Projekte nicht verwirklichen können“. Das hat auch Folgen für die Kundschaft. Die IHK, die selbst Fachinformatiker sucht, ist dafür ein Beispiel. Das Angebot, dass Azubis künftig ihre Berichtshefte online einreichen können, muss eben zuerst noch programmiert werden.

Ein gutes Image ist entscheidend

Anders ist die Lage der Banken. Dass bei der IHK noch 90 Ausbildungsplätze für Bankkaufleute offen sind, ein früher sehr gefragter Beruf, liegt am veränderten Image der Branche. „Das ist durch die Bankenkrise nicht mehr so gut“, sagt Ulrike Weber. Im Zuge der Digitalisierung haben die Banken zwar schon viele Arbeitsplätze abgebaut, aber selbst die geringere Zahl von Lehrstellen können sie heute nicht mehr so einfach besetzen. Weber: „Das macht uns Sorgen.“

Im Gastgewerbe ist die Personalsituation seit Langem schwierig. „Der Mangel ist enorm – vor allem in der Küche“, sagt Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg. Dabei sagen die Zahlen auf den ersten Blick etwas anderes. Innerhalb von vier Jahren ist der Umsatz des Gastgewerbes im Land von 9,7 auf 11,6 Milliarden Euro gestiegen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat seit 2010 von rund 100 000 auf 132 000 im Vorjahr zugenommen. „Der Bedarf ist aber noch viel größer“, sagt der Verbandssprecher. Das Problem dabei: Die Ausbildungsverhältnisse sind in diesem Zeitraum um rund ein Drittel auf noch 6160 zurückgegangen, bei den Köchen sogar noch um einige Prozentpunkte mehr auf knapp 2200 Ausbildungsstellen. Zurzeit sind bei den Arbeitsagenturen im Land gut 2500 offene Stelle für Köche gemeldet.

Restaurants reduzieren das Angebot

Für die Betriebe hat das Folgen. Immer mehr Angelernte sind dort tätig, die Inhaber der Lokale und deren Familien müssen mehr arbeiten. „So ein hohes Maß an unternehmerischer Selbstausbeutung haben wir noch nie erlebt“, klagt Daniel Ohl. Auch der Kunde bekomme die Personalknappheit zu spüren. Öffnungszeiten werden reduziert, aus einem werden zwei Ruhetage, Mittagstische gestrichen, mancher Gastronom hört mit dem personalaufwendigen À-la-carte-Geschäft auf und konzentriert sich auf Veranstaltungen oder Gruppen. Und die seit Jahren florierende Systemgastronomie, erklärt Ohl, entwickle immer „neue Küchenkonzepte, bei denen die Personalintensität so gering wie möglich ist“.