Kunstmuseum Stuttgart: Finale für „Jetzt oder nie“ Foto: dpa/Christoph Schmidt

Nur noch bis 20. Februar ist die Schau „Jetzt oder nie – 50 Jahre Sammlung LBBW“ im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen. Zum Finale ist der Eintritt frei. Wie fällt die Bilanz aus?

Stuttgart - In riesigen Buchstaben ist es an der Fassade des Kunstmuseums Stuttgart zu lesen: „Jetzt oder nie“. Ist das Haus gemeint, dessen Team um Direktorin Ulrike Groos sich jüngst über die Auszeichnung „Museum des Jahres“ freuen konnte? Groos selbst strahlt noch immer – vor allem die „tollen Gratulationen, sogar von Kolleginnen und Kollegen aus den USA“, freuen sie.

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„Jetzt oder nie“ aber meint zuvorderst die aktuelle große Sonderausstellung auf den drei Etagen des markanten Kunstmuseum-Kubus am Stuttgarter Schlossplatz. Um „50 Jahre Sammlung LBBW“ geht es – und an diesem Samstag und Sonntag ist die Schau nicht nur ein letztes Mal zu erleben, sondern auch bei freiem Eintritt. Die Herzen der Verantwortlichen bei der Landesbank Baden-Württemberg schlagen, selbst wenn man keine Zahlen nennen möchte, jetzt schon höher. „Mit dem großen Besucherzuspruch in den vergangenen drei Monaten sind wir äußerst zufrieden“, sagt Birgit Kiesel, als Leiterin Konzernmarketing auch verantwortlich für die Sammlung LBBW. „Es ging mit einem fulminanten Eröffnungswochenende los und das Besucherinteresse setzt sich bis heute fort.“

Heckel-Entdeckung als „Push“

Gleich zwei Ereignisse beflügelten das Interesse aus Kiesels Sicht zudem: „Sicherlich“ haben „in dieser Woche“ die „Heckel-Entdeckung“ mit einem verschollen geglaubten Werk des Expressionisten Erich Heckel auf der Rückseite einer mit einer Holzplatte verdeckten Leinwand sowie die Auszeichnung des Kunstmuseums Stuttgart als Museum des Jahres 2021 „für einen neuerlichen Push gesorgt“.

50 Jahre Sammlungsgeschichte

Dabei war die inhaltliche Ausgangslage für das von Lutz Casper als Leiter der Sammlung LBBW erarbeitete Projekt keineswegs einfach. Wie nämlich, das war die Frage, könnten sich 50 Jahre Sammlungsgeschichte unterschiedlicher Geldinstitute zu einem Ganzen fügen, für das die Flagge der Landesbank Baden-Württemberg gehisst wird? Spar- und Girokasse Stuttgart, Landesgirokasse, Südwest LB, Baden-Württembergische Bank – dies allein ist ein Parforceritt durch Kulturen, durch Vorstands- und Kuratoren-Positionen. Doch auch die Sammlungen der vormaligen Landesbank Rheinland-Pfalz und der Landesbank Sachsen zählen heute zum Ganzen der „Sammlung LBBW“. Und vor allem im Bereich der Gegenwartskunst ist zudem der Zugang auf den ersten Blick nicht immer einfach.

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„Umso schöner“ ist für Birgit Kiesel, dass neben bedeutenden Werken wie Otto Dix’ gerne als „Mona Lisa des 20. Jahrhunderts“ bezeichnetem Porträt der Tänzerin Anita Berber „ungewöhnliche Exponate besonders gut ankamen“. Ein Beispiel? „Einigen von uns“, sagt Kiesel, „ist aufgefallen, dass sich viele Besucherinnen und Besucher bei ,Die Wüste des Realen’ von Josephine Meckseper länger aufgehalten haben. In einer Schaufenstervitrine mit einem CDU-Wahlplakat Angela Merkels 2004 hat die Künstlerin die Kommerzialisierung der westlichen Gesellschaft thematisiert“. Kunst, die aktuelle Fragen stellt, weckte offenbar auch sonst besonders das Besucherinteresse. „Faszinierend war für viele auch ,Körper in Arbeit/Body in Progress’ von Anna Witt“, sagt Birgit Kiesel. Und tatsächlich macht Witt Themen wie veränderte Arbeitsbedingungen und Optimierung in ihrer Videoinstallation auf ganz eigene Weise zum Thema. Spielerisch fast, aber umso vehementer.

Die Mobiltelefone werden gezückt

Immer wieder wurden und werden in den Ausstellungsräumen Mobiltelefone gezückt, Fotos gemacht. Birgit Kiesel lacht. „Ja“, sagt sie, „das war auffällig. Und wissen Sie, die meisten Selfies wurden womöglich unter ,Discussion Island Decision Platform’ von dem Konzeptkünstler Liam Gillick gemacht.“ Selfies mit Gegenwartskunst – das ist für Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos ein Signal, dass „Jetzt oder nie“ „wieder ein junges Publikum in unser Haus gebracht hat“.