Die gefeierte Sopranistin Jessye Norman 2010 beim Jazz-Festival in Montreux Foto: dpa/Dominic Favre

Sie feierte als eine der ersten dunkelhäutigen Sängerinnen in der Opernwelt Erfolge und begeisterte Fans auf der ganzen Welt. Jetzt ist Jessye Norman im Alter von 74 Jahren gestorben.

New York - Die US-amerikanische Opernsängerin Jessye Norman ist tot. Die Sopranistin starb am Montag (Ortszeit) im Alter von 74 Jahren in einem Krankenhaus in New York, wie unter anderem die „New York Times“ und der Radiosender NPR unter Berufung auf einen Sprecher ihrer Familie berichteten. Auch die New Yorker Metropolitan Opera bestätigte den Tod der Sängerin. Ursache dafür waren ein septischer Schock und Multiorganversagen infolge von Komplikationen nach einer Rückenmarksverletzung, die die Sängerin bereits 2015 erlitten hatte.

Norman gewann in ihrer Laufbahn vier Grammys für ihre Aufnahmen und einen für ihr Lebenswerk, zudem die Ehrenmedaille National Medal of Arts. Die Afroamerikanerin feierte als eine der ersten dunkelhäutigen Künstler in der Opernwelt Erfolge. Sie war vor allem als Interpretin von Opern Richard Wagners bekannt. Zu ihrem großen Repertoire gehörten aber auch Werke unter anderem von Francis Poulenc, Leos Janáček, Béla Bartók, Giuseppe Verdi, Richard Strauss oder Arnold Schönberg. Sie galt als eine der weltweit bekanntesten Opernstars, wurde aber auch als Jazz-Interpretin geschätzt.

Ihr humanitäres Engagement war groß

In einer Erklärung ihrer beiden Geschwister James Norman und Elaine Sturkey hieß es, sie seien stolz auf die musikalischen Leistungen Jessye Normans. „Wir sind ebenso stolz auf ihr humanitäres Engagement im Kampf gegen Hunger, Obdachlosigkeit, für Ausbildung der Jugend sowie Kunst- und Kulturbildung.“

Die Met, an der sie in rund 80 Aufführungen mitwirkte, teilte mit, man trauere um Norman, „eine der großen Sopranistinnen des vergangenen halben Jahrhunderts.“ Generaldirektor Peter Gelb sagte: „Jessye Norman war einer der größten Künstler, die je auf unserer Bühne gesungen haben“. Ihr Vermächtnis werde für immer weiterleben. Norman habe das Publikum mit ihrem schönen Ton, ihrer außergewöhnlichen Kraft und ihrem musikalischen Feingefühl begeistert. Die Vorstellung von „Porgy and Bess“ am Montagabend sei Norman gewidmet gewesen.

Norman war am 15. September 1945 in Augusta im US-Bundesstaat Georgia als eines von fünf Kindern in eine musikalische Familie hinein geboren wurden. Schon als Kind hörte sie Opern im Radio. „Ich erinnere mich, dass ich gedacht habe, dass Operngeschichten nicht anders als andere Geschichten sind: Mann trifft Frau, sie verlieben sich, sie können aus irgendeinem Grund nicht zusammen sein und meistens geht es nicht gut aus“, schrieb Norman in ihrer Autobiografie. „Für mich waren das Erwachsenen-Versionen von Geschichten, die ich schon kannte.“

Zu Gast bei den Schlossfestspielen

Norman studierte Musik in Washington. 1968 gewann sie einen Musikwettbewerb in München, im darauffolgenden Jahr feierte sie ihr Operndebüt an der Deutschen Oper in Berlin in Wagners „Tannhäuser“. Bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen beeindruckte sie das Publikum 1991 mit einem Liederabend im ausverkauften Forum. „Ein Weltstar, eine Diva?“, fragte damals Horst Koegler als Rezensent, und meinte weiter: „Eher eine Königin des Gesangs, adlig bis in die Fingerspitzen ihrer wohlgeformten Hände, die über die Liederschlüsse hinaus noch einmal die Botschaft der Musik und des Textes in einer Art gestischen Kadenz nachklingen lassen: das ritualisierte Echo ihres Körpers auf den Goldstrom ihrer Töne.“ Lieder von Richard Strauss, Manuel de Falla, Claude Debussy und Arnold Schönberg hatte sie dabei, das begeisterte Publikum erklatschte sich noch einen ganzen Strauß von Zugaben, die der Sängerin gestatteten, sich auch auf dem Terrain des Gospelsongs und der Oper (“Carmen“) zu präsentieren. Vor allem in de Fallas Liedern wusste sie zu begeistern. „Ihre Bandbreite der atmosphärischen Valeurs in diesen sieben spanischen Minidramen ist wahrlich erstaunlich - am anrührendsten vielleicht in ihrer mütterlichen Verklärung des ,Wiegenliedes‘, am erschreckendsten sicher in den Ay-Explosionen, ihren Schwarztönen, wenn sie ihre unerwiderte Liebe herausschreit: eine Medea, die Goya zu malen vergessen hat. Welch eine Stimme, welch eine Sängerin!“

Zahlreiche Kollegen und Stars betrauerten den Tod Jessye Normans. „Was ein betroffen und traurig machender Verlust heute“, schrieb die Operndiva Renee Fleming per Kurznachrichtendienst Twitter und der Sänger Rufus Wainwright kommentierte: „Die Welt hat eine der großartigsten Stimmen verloren, die wir je hatten und gehört haben. Sie hat sich für uns ausgeschüttet. Ruhe in Frieden, liebste Jessye Norman.“