Die 19-jährige Jesidin Aschwak T. bekräftigt ihre Vorwürfe an die baden-württembergischen Sicherheitsbehörden, sich nicht bei ihr gemeldet zu haben. Foto: YouTube

Haben die Sicherheitsbehörden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um der früheren IS-Sklavin Aschwak T. zu helfen? Langsam wird klar, dass auch viel Zeit verstrichen ist, weil man vergeblich auf eine Rückkehr der Jesidin nach Deutschland gesetzt hatte.

Stuttgart - Haben die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg zu wenig getan, um den IS-Milizionär und Vergewaltiger der Jesidin Aschwak T. zu finden? Die 19-Jährige behauptet dies – die Behörden widersprechen. Öffentlich äußern sich weder das Innenministerium noch das Landeskriminalamt (LKA) zu den konkreten Ermittlungen, weil die Bundesanwaltschaft sich dies vorbehält. Doch langsam lichtet sich der Nebel.

Nachdem Aschwak T. ihren mutmaßlichen Peiniger am 21. Februar in Schwäbisch Gmünd zum zweiten Mal getroffen hatte, wandte sie sich am 26. Februar an die örtliche Polizei. Diese nahm ihre Anzeige auf und vernahm die Frau einen Tag später. In der Folge band die Polizeibehörde das Landeskriminalamt ein, das dann am 13. März die Ermittlungen übernahm. Am 19. März erstellten LKA und Aschwak T. ein Phantombild von dem mutmaßlichen IS-Kämpfer „Abu Humam“. Und man gab ihr eine Telefonnummer, bei der sie sich melden solle, wenn sie den Mann wieder sehe.

Tags drauf flog die junge Frau in den Nordirak; sie soll aber Mitte April noch mal für gut eine Woche in Deutschland gewesen sein. Veröffentlicht wurde das Phantombild seither nicht – aus ermittlungstaktischen Gründen, denn sonst könnte der Gesuchte gewarnt sein und sich seiner Festnahme entziehen. Also hat die Polizei die Phantomzeichnung nur intern genutzt.

Nicht jedes Phantombild wird veröffentlicht

Etwa Mitte Mai kam der Fall zur Staatsanwaltschaft, die wiederum die Generalstaatsanwaltschaft einschaltete. So gelangte die Angelegenheit am 5. Juni zur Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die seither die Ermittlungen führt. „Anhand der Schilderungen der Zeugin ist es nicht gelungen, eine konkrete Person zu identifizieren“, erläutert deren Sprecherin Frauke Köhler. Auch habe dem Namen „Abu Hamam“ keine reale Person zugeordnet werden können. „Nichtsdestotrotz führen wir die Ermittlungen wegen Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch weiter.“ Insgesamt hat die Bundesanwaltschaft seit 2015 in diesem rechtlichen Kontext etwa 100 Jesidinnen zur Beweissicherung vernommen.

Eine zentrale Frage ist, warum Behörden nicht schaffen, was Journalisten gelingt: mit Aschwak zu reden. Selbst im Ministerium wird Kritik an der mangelhaften Kommunikation mit ihr laut. Das LKA hatte noch am 15. August getwittert: „Die Ermittlungen können derzeit nicht fortgeführt werden, da die Zeugin für Rückfragen aktuell nicht erreichbar ist.“ Am 16. August bedankte es sich bei einem anderen User des Onlinekanals, der sich angeboten hatte, die Kontaktdaten der Jesidin zur Verfügung zu stellen. „Wir sind an einer Kontaktaufnahme interessiert“, twittert das LKA.

Die Hürden eines Rechtshilfeersuchens

Die Bundesanwaltschaft beharrt darauf, sich an die Regeln halten zu müssen. Einfach im Irak anzurufen, um mit ihr zu sprechen, verbietet sich demnach. Es wäre auch eine Umgehung des notwendigen Rechtshilfeersuchens. Dabei werden ausländische Strafverfolgungsbehörden gebeten, einen Zeugen in ihrem Land zu vernehmen.

Zudem sind die Ermittler bis zuletzt davon ausgegangen, dass Aschwak T. nach Deutschland zurückkommen könnte – ein Irrtum, denn jetzt hat sie öffentlich verkündet, dies nicht vorzuhaben. „Wir sind daher auf den Rechtshilfeweg angewiesen“, sagt Köhler. Neue Erkenntnisse erhofft man sich von der Darstellung weiterer Frauen, die „Abu Humam“ ebenso gesehen haben wollen. Man werde aber nichts übers Knie brechen, sondern sauber ermitteln.