Jens Spahn will Vorsitzender der CDU werden – und setzt dabei auf ein konservatives Profil. Foto: Getty Images Europe

Jens Spahn will CDU-Chef werden und hat einen Werbefilm in eigener Sache produzieren lassen. Das Ergebnis ist schlecht gemacht, voll leerer Floskeln und offenbart einen Politikstil, der offenbar ganz auf das Männliche setzt, kommentiert Katja Bauer.

Berlin - Das kleine Kampagnenvideo, mit dem sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn um den Parteivorsitz der CDU bewirbt, dürfte viele Zuschauer ratlos, manche irritiert zurücklassen. Am Donnerstag hatte Spahn den gut einminütigen Clip auf seinen Social-Media-Kanälen verbreitet - und seither viele negative Reaktionen geerntet. Was stimmt nicht mit dem Video, dass so demonstrativ jung und locker daherkommt?

Zunächst ist da ein spontaner, subjektiver Reflex: Fremdscham – wegen der Eitelkeit, der Überinszenierung, der schlechten Optik, der peinlichen intellektuellen Unterforderung, der Inhaltsleere, der Respektlosigkeit gegenüber der Amtsinhaberin und wegen des misslungenen Versuchs, FDP-Chef Christian Lindner zu kopieren.

Wenn man versucht, diesen Beitrag zu analysieren, stellen sich mehrere Fragen: Was will der Mann nochmal werden - CDU-Chef? Also müsste er die Delegierten eines Parteitages ansprechen wollen, die - Stand jetzt – über die Besetzung des Parteivorsitzes entscheiden. Und vielleicht noch eine interessierte Öffentlichkeit. Für jeden Menschen, der politisch-inhaltlich interessiert ist, ist dieser Film aber eine intellektuelle Beleidigung. Es gibt keine Inhalte, nur Images.

Spahn hält das Publikum für dumm und manipulierbar

Das lässt bei einem Politiker mit Substanz nur einen Rückschluss zu: Er hält die Rezipienten, das Publikum, für dumm, desinteressiert, manipulierbar. Er setzt daher auf einen paternalistischen, autoritären, altmodischen - sehr männlichen - Politikstil.

Zum Autoritären gehört die undemokratische Behauptung, die CDU sei das „Herz unserer Demokratie“. Das ist falsch und offenbart zugleich ein fragwürdiges Demokratieverständnis: Das Herz einer Demokratie kann nur schlagen, wenn es mehrere Bewerber und Parteien gibt, folglich kann keine einzige Partei schon per definitionem das Herz darstellen. Wer seinen Laden als Herz des Systems definiert, will dessen Regeln nicht verstehen.

Manschettenknöpfe und andere männliche Insignien

Das mit der Männlichkeit ist nicht so trivial, wie es zunächst klingt. Es ist natürlich das Gegenkonzept zur derzeitigen Amtsinhaberin Angela Merkel, die als erste Frau auf diesem Posten saß und auch als erste Frau Bundeskanzlerin wurde. Das ganze Video atmet subtil, dass damit jetzt endlich Schluss sein muss. Aber auch ganz ohne Subtilität: Hier wird das Gegenkonzept zur Konkurrentin, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer präsentiert, hier wird offenkundig auch auf einer intuitiven Ebene eine Sehnsucht in nicht unwesentlichen Teilen der Partei erfasst - was ja nicht illegitim ist.

Wenn man auf die Wort- und Bildauswahl achtet, wird deutlich, dass das kein Zufall ist: Die Amtsvorgängerin hat „zugelassen“, dass die „Kraft“ aus dem „Herz“ geschwunden ist. Das ist das, was der Kandidat verändern will. Was Kraft inhaltlich bedeutet, erfahren wir nicht. Was sie symbolisch, emotional bedeutet, sehen wir an männlichen Insignien: Manschettenknöpfe, eine Krawatte, eine Uhr, eine Männerhand mit Ehering. Und: Außer beim Thema Familie tauchen im Weichbild des Kandidaten keinerlei Frauen auf. In Runden, in denen geredet und entschieden wird, sieht man Männer. Was dort entschieden werden soll, ist nicht zu erfahren.

Ein Neustart soll es werden - sagt immerhin ein Regierungsmitglied einer Koalition, die gerade mal ein Jahr im Amt ist, ein Neuling, der gerade erst gestartet ist. Warum? Das muss, so die Botschaft, das einfache Volk nicht interessieren. Man fragt sich, welcher Delegierte, welche Delegierte sich daran wird begeistern können.