Jens Spahn hört sich die Sorgen und Wünsche von Tanja Pardela an. Foto: factum/Simon Granville

Jens Spahn spricht im Böblinger Klinikum mit der Frau, die ihm mehrere Briefe aus ihrem Arbeitsalltag schrieb.

Böblingen - Aufgeregt schaut Tanja Pardela nach draußen. Vor dem Eingang des Böblinger Klinikums drängt sich an diesem Mittwoch eine Schar von Journalisten, Kameraleuten und Radiomitarbeitern. Sie alle warten auf Tanja Pardela – und Jens Spahn (CDU). Der Bundesgesundheitsminister hat seinen Besuch angekündigt. Und er hat ausdrücklich um eine Gespräch mit der Krankenschwester gebeten.

Zwei sehr emotionale Briefe hatte die 46-Jährige dem Minister geschrieben, ihre Freude am Beruf als Krankenschwester geschildert und ihren Frust über die aus ihrer Sicht unhaltbaren Arbeitsbedingungen. „Es war die Emotionalität, die Herrn Spahn angesprochen hat“, sagt Marc Biadacz. Der CDU-Bundestagsabgeordnete des Kreises Böblingen hatte Spahn eingeladen. Der wiederum habe darauf bestanden: „Dann will ich aber auch mit Frau Pardela sprechen.“ Das berichtet Biadacz.

Medienrummel um die Krankenschwester

Noch sitzt Tanja Pardela in einem Zimmer im Erdgeschoss der Klinik. Jalousien schirmen sie vor den Blicken der Medienvertreter ab. „Ein Gespräch mit dem Minister allein wäre weniger aufregend“, sagt sie und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Wenige Minuten später ist es soweit. Tanja Pardela tritt aus der Klinik. Die Krankenpflegerin ist dankbar für den Beistand ihres Kollegen Volker Held und ihrer Chefin Elvira Schneider, die an ihrer Seite sind. Die Presse stürzt sich sofort auf sie. Mikrofone werden ihr unter die Nase gehalten, Kameras richten sich auf sie. „Ich freue mich auf das Gespräch mit Herrn Spahn. Ich finde es toll, dass er sich Zeit nimmt, mit mir zu reden“, sagt sie.

Dann kommt der Minister. Zu Fuß, ganz unerwartet von der Seite. Mit großen Schritten geht er auf die Krankenschwester zu, schüttelt ihr die Hand. Eine Stunde hat er sich Zeit genommen. Das Gespräch freilich ist wenig lauschig. 25 Leute sitzen an dem Konferenztisch: die Landräte, die leitenden Ärzte der Klinik , Vertreter der niedergelassenen Ärzte. Doch Tanja Pardela schreckt das alles nicht ab. Sie findet deutliche Worte, und sie hat eine klare Botschaft an Spahn. „Ich bin gerne Krankenschwester, das ist ein toller Beruf“, sagt sie: „Aber die Arbeitsbedingungen bei uns sind unhaltbar. Wir schaffen uns kaputt.“ Und sie berichtet aus England. Zehn Jahre hat sie dort in verschiedenen Einrichtungen gearbeitet. „Dort gibt es für acht Patienten eine Pflegekraft, auf der Kardiologie gilt der Schlüssel eins zu vier. In Deutschland betreuen wir zwölf Patienten.“

Die Krankenpflegerin hat eine klare Botschaft

Der Minister hört zu, hakt nach. „Was wünschen Sie sich. Wertschätzung?“, fragt er. „Ja, die fehlt uns“, bestätigt Pardela, „aber auch mehr Geld wäre nicht schlecht.“ In Deutschland würden Pfleger, die sich weiterbilden, kaum besser bezahlt als diejenigen ohne Zusatzqualifikation.

Spahn will die Situation mit einem „Pflegepersonalstärkungsgesetz“ verbessern. „Völlig unzureichend“, sei dieses Gesetz, meint Pardela. .„Zwölf Patienten pro Pflegekraft. Das kann nur ein Anfang sein. Und wir wollen nicht wieder zehn Jahre warten, bis es besser wird.“ Spahn wirbt hingegen für Geduld im Kampf gegen die Personalnot in der Pflege. Er hört zu, zeigt Verständnis: „Da hat sich viel Frust aufgestaut wegen der starken Arbeitsbelastung.“

Dann zählt er auf, was er in den vergangenen Monaten bereits verbessert hat: „Wir zahlen neue Kräfte, die eingestellt werden, wir haben erste Untergrenzen beim Personalschlüssel eingeführt, wollen die Ausbildung verbessern.“ Und fragt: „Merken Sie etwas von diesen Verbesserungen?“ „Nein“, sagt Pardela: „In der Praxis ist leider noch nichts angekommen.“