Jens Rommel vor den Aktenschränken in der Zentralen Stelle. Foto: dpa

Er ist der oberste Nazijäger der Republik und wird bald Richter am Bundesgerichtshof. Im Interview erklärt Jens Rommel, warum ihm der Abschied von der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg schwer fällt.

Ludwigsburg - Kurt Schrimm war 15 Jahre in Ludwigsburg, sein Nachfolger Jens Rommel wird die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen schon nach knapp vier Jahren verlassen. Der oberste Nazijäger der Republik ist am Donnerstag an eines der wichtigsten Gerichte in Deutschland berufen worden. Rommel wird Bundesrichter am Bundesgerichtshof (BGH).

Herr Rommel, haben Sie schon gepackt?

Nein, die Entscheidung ist ja noch ganz frisch, und mein Wechsel steht frühestens im Herbst an. Am Bundesgerichtshof werden zwei neue Senate eingerichtet, einer für Strafsachen in Leipzig, einer für Zivilrecht in Karlsruhe. Und bevor die neuen Richter anfangen können, sind noch erhebliche Vorarbeiten zu machen. Ich habe also noch ein bisschen Zeit.

Das heißt, Sie wissen noch gar nicht, ob Sie nach Leipzig oder Karlsruhe dürfen?

Nein, das Gerichtspräsidium entscheidet über die Verteilung der Geschäfte und damit auch darüber, wer in welchem Senat arbeitet.

Der Bundesgerichtshof ist das oberste Gericht in Deutschland für Zivil- und Strafsachen: Eine Traumstelle für jeden Juristen?

Es ist sicherlich eine ganz tolle Stelle für Juristen, die in der Justiz tätig sein wollen. Ich empfinde es als Auszeichnung, dafür überhaupt in Betracht zu kommen. Aber ich kenne auch viele Kollegen, die sehr glücklich am Amtsgericht sind. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Was reizt Sie an dem neuen Job?

Der Bundesgerichtshof ist in vielen Verfahren die letzte Instanz – dort wird über Einzelfälle endgültig entschieden. Aber die Bedeutung liegt meines Erachtens vor allem darin, dass der BGH über Einzelfälle hinaus Grundsatzentscheidungen trifft und das Recht weiterentwickelt. Das ist für einen Juristen eine sehr reizvolle Aufgabe.

Haben Sie sich aktiv beworben?

Nein, auf die Stellen an obersten Bundesgerichten kann man sich nicht direkt bewerben, sondern man wird für diese Stellen vorgeschlagen. Die Entscheidung trifft dann ein Wahlausschuss, der aus den Justizministern der Länder und Mitgliedern des Bundestags besteht.

Wie haben Sie erfahren, dass sie es geschafft haben?

Nach der Wahl am Donnerstagnachmittag habe ich einen Anruf bekommen.

Und dann: pure Freude? Oder werden Sie die Zentralstelle auch vermissen?

Über die Wahl freue ich mich riesig und bin gespannt, was mich in Karlsruhe oder Leipzig im Alltag erwartet. Für mich bedeutet das aber auch, die Zentrale Stelle in Ludwigsburg zu verlassen. Diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Die Zentrale Stelle erfüllt bis heute einen einzigartigen Auftrag und versucht weiterhin, Beteiligte an nationalsozialistischen Morden zu finden. Die Arbeit mit den Kollegen und unseren Partnern schätze ich sehr.

Sie sind seit 2015 der oberste Nazijäger der Republik – wie fällt Ihre Bilanz aus? Und was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?

Für eine Bewertung oder den Blick in die Zukunft ist es heute noch zu früh. Darüber kann ich sprechen, wenn der Wechsel unmittelbar bevorsteht. Noch bin ich voll und ganz hier.

Person
– Jens Rommel ist in Ravensburg aufgewachsen. Der 46-Jährige hat für mehrere Amtsgerichte, das baden-württembergische Justizministerium, den Generalbundesanwalt sowie als Oberstaatsanwalt gearbeitet. Seit 2015 leitet er die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen.

Behörde
– Die Zentralstelle in Ludwigsburg wurde 1958 als Behörde der Landesjustizverwaltungen gegründet. Die ersten Recherchen mündeten in die berühmten Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Bis heute sichten die Nazijäger weltweit Material – überwiegend aus Archiven – um NS-Täter zu ermitteln. Wer Rommels Nachfolger wird, ist noch unklar.