Jens Fischer aus Bernhausen ist als Vorstandsmitglied im AK Asyl und als ehemaliger Gesamtelternbeiratsvorsitzender bekannt. 2020 hat er einen Burnout erlitten. Nichts ging mehr. Nun will er drauf aufmerksam machen, dass es jeden treffen kann.
Aus! Im Juli 2020 ging bei Jens Fischer nichts mehr. Eben hatte er als Elternbeiratsvorsitzender der Gotthard-Müller-Schule Bernhausen noch eine kräftezehrende Diskussion zum Ganztag in der Grundschule zu einem Ende gebracht, im anschließenden Urlaub zog es ihm buchstäblich den Stecker. Kopfschmerzen, Schlafbeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Antriebslosigkeit. „Da habe ich gemerkt, es geht gar nichts mehr“, sagt er. Diagnose: Burnout, gepaart mit Depressionen. Die kämen meist obendrauf, erklärt der Bernhausener. „Das ist extrem hart und schwer und bitter.“
Was seine mentale und letztlich auch körperliche Gesundheit derart erschüttert hat, weiß Jens Fischer mittlerweile. Als Hauptauslöser benennt er Konflikte, vor allem interfamiliärer Art. Die gelte es bei dieser Art von Erkrankungen aufzuarbeiten. Dabei geholfen haben Jens Fischer Experten: die psychologische Beratungsstelle des Kreisdiakonieverbands, Psychotherapeuten und Psychiater. Als es ganz schlimm gewesen sei, habe er die 116 117 angerufen. „Du musst sprechen“, betont er. Auch Psychopharmaka habe er zwischenzeitlich eingenommen, „die haben geholfen, aus dieser Düsternis herauszukommen“.
Lang habe ihn die Sorge geplagt, dass etwas zurückbleiben könnte. „Meine Panik war, nicht mehr da hin zu kommen, wo ich war“, sagt er. Jens Fischer arbeitet als Journalist bei einer Fachzeitschrift in Leinfelden-Echterdingen. Ein Job, von dem er sagt, dass er ihn liebt. Besonders wichtig sind dem 55-Jährigen aber die Dinge, die er unbezahlt tut.
Jens Fischer ist ein enthusiastischer Ehrenamtlicher
Jens Fischer ist in Filderstadt als ein Mann der vielen Ehrenämter bekannt. Bis November war er sowohl der Elternbeiratsvorsitzende der Gotthard-Müller-Schule als auch Gesamtvorsitzender für die ganze Stadt. Beide Ämter hat er abgegeben, weil seine Söhne mit 17 und 19 Jahren den Schulen entwachsen sind. Die Gesamtelternbeiratsvorsitzenden sind nun Megan Schoppmann sowie ihre Stellvertreter Ulrich Fauth und Stéphane Lacalmette. Dafür hat Jens Fischer eine neue Position eingenommen, nämlich im Vorstandsteam des Arbeitskreises Asyl. Es sind Dinge, die er aus Überzeugung tut. In die Schulämter sei er zwar so reingerutscht, „aber dann habe ich gemerkt, ich kann etwas bewegen, und es macht mir Freude“. Jens Fischer ist ein enthusiastischer Ehrenamtlicher, ein Vernetzer und ein Menschenfreund. „Ich habe schon immer durchaus Verantwortung übernommen“, sagt er, sein Engagement bezeichnet er als sinnstiftend. Wie wichtig das alles für ihn ist, die Kontakte zu Menschen, das Einbringen, aber auch der Vereinssport oder Reisen, das weiß Jens Fischer heute genau. Er spricht von Erholungsfaktoren, die im Coronajahr 2020, als der Burnout mit voller Wucht kam, urplötzlich weg waren. „Das macht was mit einem“, sagt er. Das Reihenhaus der Fischers steckt voller Leben. In der Weihnachtszeit ist alles festlich dekoriert, überall sieht man Fotos der Familie, die Katze schläft im Fernsehsessel. Während der Papa kurzweilig erzählt, lacht er viel. Er scherzt und lässt auch mal einen kernigen Spruch fallen. Jens Fischer stammt ursprünglich aus der Region Niederrhein, dort gelten die Menschen als extra bodenständig und gesellig. Ein Mann voll im Leben. Und doch hat der Burnout genau ihn erwischt. „Es kann jedem passieren“, stellt er klar. Deswegen sei es so wichtig, darüber zu sprechen.
Heute gilt Jens Fischer als genesen. „Ich bin geheilt, soweit ich sagen kann.“ Nur noch sporadisch gehe er zur Therapie. Er habe Techniken und Wege kennengelernt, wie er sich selbst helfen könne, sollten dunkle Phasen kommen. Jens Fischers Kopf steckt wieder voller Pläne. Seinen Job hat er gekündigt, mit einer langen Vorlaufzeit.
Es zieht ihn in den sozialen Bereich. Arbeiten mit Menschen, „das war schon immer mein Ding“, sagt der gelernte Krankenpflegehelfer. Das Ehren- zum Hauptamt zu machen, das sei sein Ziel. Im kommenden Jahr möchte Jens Fischer zudem auf der Liste der Grünen für die Kommunalwahl kandidieren. Die Energie ist zurück. Nein, er sei nicht mehr dort, wo er vor der Erkrankung gewesen sei. „Ich bin drei Schritte weiter.“
Jeder zweite Deutsche hat Burnout-Sorgen
Krankheitstage
Die Fälle von Krankschreibungen aufgrund von Burnout haben zugenommen. Die Statistik-Plattform Statista hat eine Studie der AOK ausgewertet, demnach zählte die Krankenkasse 2022 durchschnittlich 6,8 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1000 Mitglieder. 2004 waren es noch 0,6 Fälle gewesen. Auch das Krankheitsvolumen sei deutlich gestiegen: Waren es 2005 noch 13,9 Krankentage gewesen, registrierte die AOK zuletzt im Schnitt 159,8 Arbeitsunfähigkeitstage je 1000 Mitglieder. „Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich daraus für 2022 rund 216 000 Burnout-Betroffene mit kulminierten 5,3 Millionen Krankheitstagen“, liest man bei Statista.
Corona
Laut einem Report des Pharmakonzerns Stada gibt fast jeder dritte Bundesbürger an, dass sich seine mentale Gesundheit seit Corona verschlechtert hat. Das sei das Ergebnis einer repräsentative Umfrage unter rund 30 000 Personen in 15 europäischen Ländern, darunter 2000 in Deutschland. Demnach hadert jeder Zweite hierzulande mit Burnout-Sorgen oder -Symptomen.