Laura Lukec beschäftigt sich mit dem Gedenken an die Holocaust-Opfer. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Abiturientin Laura Lukec erhält zusammen mit sieben weiteren Jugendlichen den Jenny-Heymann-Preis. Sie hat sich mit dem Schicksal einer 15-jährigen Jüdin beschäftigt.

Stuttgart - Dora Bruder heißt der Teenager aus Paris, um den sich der gleichnamige Roman des französischen Literaturnobelpreisträgers Patrick Modianodreht. Und Laura Lukec, ein Teenager aus Fellbach, hat sich eingehend mit dem Schicksal des französischen Mädchens beschäftigt – denn Dora Bruder ist keine fiktive Figur, sondern eine Jugendliche, die von den Nationalsozialisten umgebracht wurde.

Modiano entdeckte in einer Ausgabe des „Paris Soir“ vom 31. Dezember 1941 die Suchanzeige der Eltern nach ihrer damals 15-jährigen Tochter Dora, die während der deutschen Besatzung Frankreichs nicht nach Hause zurückgekehrt war. Zwar tauchte sie damals wieder auf, ein Jahr später allerdings wurde sie zusammen mit ihrem Vater nach Auschwitz deportiert. Modiano hat viel Zeit und Energie für die Spurensuche nach dem jüdischen Mädchen aufgewendet und stieß schließlich auf die bittere Wahrheit.

Gesellschaftliche Aufgabe

Laura Lukec, Abiturientin am Albertus-Magnus-Gymnasium, hat sich in einer umfangreichen Seminararbeit anhand der kriminalistischen Arbeit des Schriftstellers Modiano mit dem Gedenken an die Opfer des Holocaust auseinandergesetzt. „Die Erinnerung ist eine moralische Verpflichtung“, sagt sie. Ihre Arbeit hat die Jury des Jenny-Heymann-Preises, der jedes Jahr von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit an Schüler verliehen wird, überzeugt. Am 13. März wird ihr dafür der erste Preis verliehen. „Dass es in dem Roman um ein junges Mädchen geht, schafft Nähe“, betont die 17-Jährige. Nach dem Abitur will sie erst einmal reisen und später dann Jura studieren.

Besuch auf dem Killesberg

Die Holocaust-Thematik hat sie schon beschäftigt, lange bevor sie sich für die Seminararbeit über Dora Bruder und das Gedenken an die Opfer entschied. Bei der Schülerführungen der Jugendhausgesellschaft zu den Orten der Judendeportation auf dem Killesberg wurde sie im Alter von 13 Jahren zum ersten Mal mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte konfrontiert. Im Sommer 2015 führte sie selbst andere Schüler durch die damalige Ausstellung über Anne Frank im Rathaus.

Frage an den Nobelpreisträger

„Ich finde, dass hierzulande die Jugendarbeit zum Thema Erinnerung gut ist“, sagt sie nach diesen beiden persönlichen Erfahrungen. Auch die Initiative Stolpersteine imponiert ihr: „Man stolpert praktisch über die Geschichte.“ Bei einer Klassenfahrt nach Paris hatten die Schüler des Albertus-Magnus-Gymnasiums mehrfach Passanten nach dem Weg zur Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust gefragt – doch niemand konnte ihnen Auskunft geben. Dort angekommen, hat Laura Lukec im dazugehörenden Archiv auch die Geschichte der Dora Bruder entdeckt. Ob in Frankreich die Erinnerungskultur möglicherweise weniger ausgeprägt sei als in Deutschland, wollte die Schülerin von Patrick Modiano persönlich wissen und schrieb dem Schriftsteller einen Brief, in dem sie ihre Seminararbeit über seinen Roman vorstellte und ihm Fragen nach der Art des Gedenkens in Frankreich stellte. Auf eine Antwort wartet sie allerdings noch immer.

Der Jenny-Heymann-Preis wird am 13. März um 19 Uhr im Stuttgarter Hölderlin-Gymnasium (Hölderlinstraße 28) außer an Laura Lukec an weitere acht Schüler für ihre Auseinandersetzung mit dem Holocaust und mit dem christlich-jüdischen Austausch verliehen.