Völlig am Ende: Schauspielerin Jennifer Lawrence in dem neuen Film „Mother“ Foto: Paramount Pictures

Hollywoodstar Jennifer Lawrence spricht im Interview über böse Kritiken, extreme Dreharbeiten und ihren neuen Film „Mother“, der jetzt in den Kinos anläuft.

New York - Mit vierzehn Jahren wird Jennifer Lawrence in New York von einem Talentscout angesprochen. Sechs Jahre später gelingt ihr der Durchbruch mit dem Independent-Drama „Winters Bone“, für das sie für den Oscar und den Golden Globe nominiert wird – und das, obwohl die US-Amerikanerin nie eine Schauspielschule besucht hat. Inzwischen hat sie sich mit Filmen wie „Die Tribute von Panem“ zur bestbezahlten Darstellerin Hollywoods hochgearbeitet. In „Mother“ von Darren Aronofsky lernt man die 27-Jährige nun von einer neuen Seite kennen.

Frau Lawrence, normalerweise spielen Sie in Filmen mit, die jeder zu mögen scheint. „Mother!“ wurde auf der Premiere ausgebuht und gefeiert. Eine neue Erfahrung für Sie ?
Sprechen Sie es ruhig aus, es gibt Zuschauer, die diesen Film regelrecht hassen. Mir gefällt diese extreme Reaktion. Wir wussten ja vorher, was für eine Art Film wir machen. Dieser Film ist ein Anschlag, grenzt an Körperverletzung und provoziert. Es ist, als ob du jemandem den Finger ins Auge pikst. Es ist diese Art Film, den du nur lieben oder hassen kannst.
Waren Ihnen gute Kritiken zu langweilig?
Ich fand es aufregend, den Schritt in diese Richtung zu machen. Und es war spannend, vor der Kamera diese völlig andere Persönlichkeit zu werden. Als ich das Drehbuch gelesen habe, konnte ich mir zunächst nicht vorstellen, wie diese Frau klingt, sich bewegt, wie sie tickt. Sie repräsentiert das Gegenteil meines Charakters. Das war eine Herausforderung, der ich einfach nicht widerstehen konnte.
Die Geschichte führt uns in die düstersten Winkel der Psyche. Welchen Effekt hatte dieser Blick in die Abgründe auf Sie?
Ich will jetzt nicht zu viel verraten. Aber es gibt eine Szene, die mich an meine Grenzen geführt hat. Das war ein tiefer Abgrund, in den ich mich da begeben musste. Und das wünsche ich niemandem. Wer den Film gesehen hat, wird wissen, welche Szene ich meine. Wenn ich solche Emotionen zum Leben erwecke, ist es schwierig, sie wieder dorthin zurückzuschicken, woher ich sie geholt habe. Normalerweise kann ich das abschütteln, wenn der Regisseur „Cut“ ruft. Diesmal hat es mich fertig gemacht.
Wie muss man sich das vorstellen?
Es hat mich schon ein paar Tage, bevor wir die Szene gedreht haben, auf ein emotionales Tief heruntergezogen. Dann habe ich das Bewusstsein verloren. Bei einem anderen Versuch habe ich hyperventiliert. Ich hatte so etwas noch nie vorher gespielt, und es hat mir enorme Probleme bereitet. Ich würde das wohl auch nicht noch einmal machen. Wenn ich noch einmal so ein Drehbuch lesen sollte, sage ich: Nein danke.
Wie schützen Sie sich in solchen Situationen?
Ich versuche einen Platz zu kreieren, der für mich Glück bedeutet. Ein paar Tage vor solchen Szenen bauen wir für mich ein sogenanntes Kardashian-Zelt. Da läuft dann auch 24 Stunden am Tag die „Kardashian-Show“. Es muss das Gegenteil von dem darstellen, was ich spielen soll. Stattdessen bin ich diesmal mit einer Sauerstoffmaske auf dem Gesicht in der Ambulanz gelandet. Es hat also nicht funktioniert. Es war mir ehrlich gesagt ein bisschen peinlich. Normal habe ich mich besser im Griff und führe mich nicht wie eine Irre auf.
In Ihrem Film geht es auch um das Thema der Privatsphäre von Künstlern, in die gewaltsam eingedrungen wird . . .
Darüber weiß ich nichts, da meine Privatsphäre immer respektiert wurde. Kleiner Scherz.
Lebt man als Star manchmal wie in einem Horrorfilm?
Lassen Sie mich überlegen. Ich hatte einen Stalker, wurde von Paparazzi gejagt. Horrorfilm wäre jetzt etwas übertrieben. Ich liebe meine Arbeit und meine Fans. Aber mir stehen persönliche Grenzen zu, weil ich ein Mensch bin. Es mag doch niemand, wenn seine Privatsphäre verletzt wird. Ich fordere für mich also nur ein, was allen anderen auch zusteht.
Es reicht inzwischen, dass Ihr Name auf der Besetzungsliste steht, damit Filme überhaupt produziert werden. Das ist ziemlich viel Druck.
Einerseits ist es ein geradezu surreales und fantastisches Gefühl, dass Filme realisiert werden, nur weil ich mich für das Drehbuch begeistere. Andererseits macht es mir Angst, wenn so viele Leute Geld und Arbeit investieren, weil ich mich frage, ob sie wirklich an die Qualität des Drehbuchs glauben oder weil sie meinetwegen dabei sind. Vielleicht irre ich mich ja und das Drehbuch ist gar nicht so toll. Es dauert ja Jahre, bis so ein Projekt umgesetzt wird. Und manchmal kann ich mich zu einem bestimmten Zeitpunkt für etwas engagieren, was mich Jahre später nicht mehr begeistert, weil ich an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben angekommen bin. Deswegen lasse ich Angebote auch erst einmal eine Weile liegen, um zu sehen, ob ich sie später immer noch interessant finde.
Sie haben sich in dem ohnehin schon emotionalen Ausnahmezustand der Dreharbeiten in Ihren Regisseur Darren Aronofsky verliebt und sind seitdem ein Paar. . .
Darren und ich sind jetzt auf Pressetour für diesen Film. Und Sie wissen, es ist unmöglich die Medien zu kontrollieren. Deswegen versuchen wir, das Hauptinteresse auf unsere Arbeit zu lenken. Wir möchten, dass man über den Film spricht. Wir haben sehr viel harte Arbeit investiert. Und es wäre wirklich schade, wenn die Berichterstattung durch unser uninteressantes Privatleben überschattet würde. Deswegen muss ich Ihnen an dieser Stelle leider sagen: Kein Kommentar. Denn wenn ich Ihre Frage beantworte, wäre das die Schlagzeile. Ich wünschte, es wäre anders.

Zur Person: Jennifer Lawrence

Anfänge
Jennifer Lawrence wurde am 15. August 1990 in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky geboren. Mit 14 Jahren zog sie mit ihrer Familie nach New York, um Schauspielerin zu werden. Eine Schauspielschule hat sie jedoch nie besucht. Ihre ersten Meriten erntet sie 2010 für das Independent-Drama „Winter’s Bone“. Nach mehreren Nebenrollen feiert sie 2012 mit „Die Tribute von Panem“ ihren Durchbruch.

Ehrungen
Inzwischen gilt Jennifer Lawrence – die zahllose Preise einheimste, darunter auch einen Oscar für „Silver Linings“ und drei Golden Globes – als eine der einflussreichsten und bestverdienenden Schauspielerinnen Hollywoods.