Wenige Jahre nach der Fahrbahnerneuerung ist die Jebenhäuser Brücke wieder sanierungsbedürftig, aus Sicherheitsgründen ist eine Fahrbahn gesperrt. Ob und wie die Brücke saniert werden kann, ist nach wie vor unklar. Foto: /Giacinto Carlucci​

Das weitere Schicksal der Jebenhäuser Brücke, der wohl wichtigsten Göppinger Nord-Süd-Verbindung, ist völlig offen. Sie bleibt teilweise gesperrt. Warum bei der Untersuchung der Stahlkonstruktion ein Höhlenexperte zum Einsatz kam.​

Am 21. Februar jährt sich zum 50. Mal die Verkehrsfreigabe der Jebenhäuser Brücke. Das vierspurige, bis zu 26 Meter breite Bauwerk wurde im Mai 1975 feierlich eingeweiht. Der damalige OB Herbert König fuhr in der Kutsche über das Ungetüm aus Stahl und Asphalt. Für Göppingen war es ein Meilenstein, denn die damals umgerechnet fünf Millionen Euro teure Brücke beseitigte ein Nadelöhr: die nur zweispurige Brücke aus dem Jahr 1915. Doch seit der Einweihung des Neubaus vor 50 Jahren ist die Brücke auch ein Sorgenkind des städtischen Tiefbaureferats. Mehrere Male wurde sie saniert. Schon 13 Jahre nach der Eröffnung nagte der Rost an den Schrammborden. Zuletzt verschluckte eine Fahrbahnsanierung vor sechs Jahren zwei Millionen Euro.

 

Ob die Brücke abgerissen werden muss, steht noch nicht fest

Doch möglicherweise steht die Brücke dennoch vor dem Abriss. Jedenfalls traut die Göppinger Baubürgermeisterin Eva Noller sich noch keine Aussage über die Zukunft der Brücke zu. Sicher ist: Die Verkehrsader ist seit September aus Sicherheitsgründen nur dreispurig befahrbar. Und das sorgt stadteinwärts zu den Stoßzeiten für lange Staus. Das wird zunächst auch so bleiben, erklärt Noller, denn es steht eine aufwendige Untersuchung bevor, ob und wie die Brücke saniert werden kann.

Hintergrund: Die Unterkonstruktion der Brücke ist als eine der wenigen ihrer Größe nicht aus Beton gegossen, sondern aus 17 Stahlblech-Hohlkammern zusammengeschweißt. Und diese seltene Bauweise hat offenbar so ihre Tücken. Es dringt Wasser ein. Der Rost frisst am Stahl.

Bisher sei das Ermitteln des Schadensbildes vor allem deshalb schwierig gewesen, „weil man nicht rankommt“, erklärt die Baudezernentin. Nun aber hätten die Kollegen eine Methode gefunden – und die ist sehr ungewöhnlich und wohl „deutschlandweit einzigartig“. Bei einer aufwendigen Aktion kurz vor Weihnachten hat sich nämlich ein Höhlenforscher der Technischen Universität Darmstadt durch eine enge Öffnung an der Südwest-Ecke in das Innere der Brücke gequetscht und ist in einem der nur 50 Zentimeter hohen Stahlsarkophage bis zur Brückenmitte gerobbt. Das habe ein aufwendiges Rettungskonzept verlangt, erklärt Noller, um sicherzustellen, dass der Mann wieder herauskommt. Vorsorglich seien die Höhlenretter der Malteser vor Ort gewesen.

Der Mann bestätigte die Befürchtungen, sagt Noller. Im Brückeninnern ist es nass. Er habe aber eine Sonde für eine Ultraschallmessung anbringen können. Jetzt werde ein Konzept erarbeitet, um in allen Kammern die Stahldicke überprüfen zu können. Das werde bis Mai gelingen, hofft Noller. Dann stelle sich aber die Frage, wie es mit der Brücke weitergeht. Auf jeden Fall werde die Sperrung der westlichen Fahrspur beibehalten. Noller verteidigte auch das Tempolimit auf der Brücke gegen Kritik aus dem Gemeinderat. Das sei aus Gründen der Risikoabwägung geschehen, sagt die Baudezernentin. Beim Bremsen von schweren Fahrzeugen aus höheren Geschwindigkeiten erhöhten sich die auf die Brückenkonstruktion wirkenden Schubkräfte deutlich. Die Teilsperrung erfolgte unmittelbar nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden im September. Das habe aber nichts miteinander zu tun, unterstreicht Noller erneut.

Weitere Göppinger Brücken weisen Mängel auf

Die Veröffentlichung der Ergebnisse einer umfangreichen Bestandsaufnahme der Göppinger Brücken datierten schon auf Mai. Damals habe die Jebenhäuser Brücke nicht mit zu den sieben kritischen gezählt, sagt Noller. Aber im September 2024 hätten sich neue Erkenntnisse ergeben, die dann zur Teilsperrung führten, erläutert die Baudezernentin. Die Brücke sei jedenfalls einer jährlichen Sichtprüfung durch das Baudezernat unterzogen worden, alle sechs Jahre habe ein externes Büro eine Hauptprüfung vorgenommen. Bei der Bestandsaufnahme hatte sich gezeigt, dass an einigen anderen Göppinger Brücken ebenfalls Handlungsbedarf besteht, darunter die Marbachbrücke zwischen Göppingen und Faurndau und die Bahnüberführung bei der Sonnenbrücke, der zweiten wichtigen Nord-Süd-Hauptschlagader in Göppingen.

Und wie reagieren die Lokalpolitiker auf die schlechten Nachrichten? „Es ist doch noch gar nicht so lange her, dass die Jebenhäuser Brücke saniert wurde“, stellte Rudi Bauer (FWG) im Ausschuss für Umwelt und Technik fest, als Eva Noller über die aktuelle Entwicklung informierte. Und er wollte wissen, „ob die Brückenlager dabei erneuert oder saniert worden waren“. „Das Problem sind nicht die Lager“, betonte Andreas Christ, der Leiter des Referats Mobilität und Verkehr, und verwies auf das eindringende Wasser. Auf die weitere Frage von Bauer, ob die gesamte Brücke betroffen sei, informierte Christ, dass es nur der Bereich sei, der aktuell gesperrt sei.

Chronik der Jebenhäuser Brücke

Vorgänger
 Der Vorgängerbau der Jebenhäuser Brücke war von 1912 bis 1915 gebaut worden: eine stählerne, 87 Meter lange Brücke über Bahngleise und Fils. Im Dezember 1968 stimmte der Gemeinderat dafür, sie durch einen fast viermal so breiten Neubau zu ersetzen. Im Jahr 1972 wurde der Auftrag vergeben.​

Neubau
Für viel Aufsehen sorgte eine spektakuläre Aktion im September 1973. Die alte Jebenhäuser Brücke wurde um einen halben Meter angehoben und um 26 Meter nach Westen verschoben. Das sollte Platz machen für den Neubau. Die alte Brücke diente während der Bauzeit als Behelfslösung weiter.​

Sanierungen
Im Jahr 1975 wurde der Neubau eingeweiht. 1988 wurde das Bauwerk zum ersten Mal repariert. 1993 bis 1994 mussten die Fahrbahn und die Abdichtung erneuert werden. 2019 wurde der Fahrbahnbelag erneut saniert, allein diese Arbeiten kosteten am Ende etwa zwei Millionen Euro.