E.S.T. Symphony: Marius Neset, Dan Berglund, ­Nils Wülker, Magnus Öström (v. re.) Foto: Jörg Becker

Die 29. Internationalen Jazztage im Theaterhaus beginnen mit einer Erinnerung: Vor fast 20 Jahren spielte E.S.T., das Esbjörn Svensson Trio, zum ersten Mal in Stuttgart – im alten Theaterhaus in Wangen, wie dessen Leiter Werner Schretzmeier am Donnerstag erzählt, als er die 29. Jazztage im neuen Haus eröffnet – mit der Hommage E.S.T. Symphony.

Stuttgart - Die 29. Internationalen Jazztage im Theaterhaus beginnen mit einer Erinnerung: Vor fast 20 Jahren spielte E.S.T., das Esbjörn Svensson Trio, zum ersten Mal in Stuttgart – im alten Theaterhaus in Wangen, wie dessen Leiter Werner Schretzmeier am Donnerstag erzählt, als er die 29. Jazztage im neuen Haus eröffnet. E.S.T wurden zu einer der wichtigsten Jazzbands ihrer Zeit.

Acht Jahre nach dem tödlichen Tauchunfall des Pianisten Svensson spielen Bassist Dan Berglund und Drummer Magnus Öström dessen Repertoire nun mit großem Orchester – aus dem Trio wird ein Klangkörper von fast 80 Musikern. So voll wie die Bühne ist auch der Zuschauerraum im großen Saal – restlos ausverkauft. Nach einem fulminanten Auftritt: Jubel, lang anhaltender Applaus.

Die Rhythmusgruppe als Kern

Von Esbjörn Svensson selbst stammt noch die Idee zum orchestralen Arrangement der E.S.T.-Stücke, die nach seinem Tod Berglund und Öström mit dem schwedischen Dirigenten Hans Ek erarbeitet haben, der die Münchner Symphoniker leitet.

Öström sitzt im Zentrum, an seiner Seite thront Berglund. Sie bilden den Kern eines musikalischen Universums, das Solisten und Orchester um sie herum auffächern. Als Solisten fungieren drei gestandene Jazzer: Nils Wülker an Trompete und Flügelhorn, Marius Neset am Saxofon, Iiro Rantala am Piano.

Rantala hält sich zurück, sein Spiel ist meist eingebettet in die großen Orchesterarrangements, taucht nur manchmal an die Oberfläche mit freundlich verträumtem Ton: Jazz nach Mitternacht. Später wird sein Anschlag härter, in der zweiten Hälfte des Abends tritt das Orchester zugunsten der Solisten etwas zurück. Zunächst aber bereiten die Streicher seidige, dunkle Abgründe, in denen Flöten und Tuba Wirbel bilden. Plötzlich setzt Öström ein mit federnden, trockenen Schlägen, und Berglund lässt die Finger laufen.

Nahe an der Filmmusik

Die Instrumente zergliedern die Melodien in oft überraschender Weise – Perkussion und Harfe antworten Bass und Schlagzeug, das Zusammenspiel von Solisten und Orchester verblüfft mit vielen Einfällen. Oft nähert sich das Konzert der Filmmusik an, scheut weder Drama noch Romantik; dann wieder spielen die hervorragenden Solisten reinen Jazz in energischen Ausbrüchen, bricht dichtes, kraftvolles Zusammenspiel aus dem glitzernden Gewand des Orchesters hervor.

Stücke wie „Seven Days Of Falling“ oder „When God Invented The Coffee Break“ werden zu ausladenden Suiten, deren Themen sich im Kaleidoskop der großen Arrangements brechen. Öström brennt ein Feuerwerk ab, lässt die Schläge in flinker Präzision prasseln; Berglund greift zum Bogen, verfremdet die gestrichenen Töne, erobert futuristische Welten – sein Kontrabass klingt, als hätte er eine Stimme.

Beim packenden Finale darf ein wenig Bühnennebel durch die Orchesterreihen wehen. Ganz zuletzt stehen Öström und Berglund inmitten ihrer Begleiter vor einem jubelnden Publikum. (mora)

Lautmalen für die Antike

Eine sperrige „Odyssee“ bezwingt Synchronsprecher Christian Brückner in Saal 2 – hätte man ihm nur weniger Antike zugemutet und mehr Robert De Niro gestattet („Du laberst mich an?“). Zwischen den Homer-Passagen spielt ein munteres Jazz- Orchester vertrackten Swing von Heiner Schmitz, der einen klareren Bezug zum Stoff hätte haben dürfen – allzu fröhlich durig etwa tönt es auf den Schlachtfeldern von Troja. Einmal mehr ein Genuss: dem Stuttgarter Saxofonisten Magnus Mehl zu lauschen, der das Orchester leitet und lautmalerisch Bilder in den Raum tupft. Man darf gespannt sein, was er beim Jazz Poetry Slam, an dem er ebenfalls teilnimmt, instrumental formuliert. (ha)