Der Trompeter Nils Petter Molvaer Foto: Archiv

Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer hat die elektronische Verfremdung als Stilmittel des Jazz populär gemacht. Auch sein Jazz-Open-Konzert am Samstag im Jazzclub war wieder eine hypnotische Traumreise – unter etwas anderen Vorzeichen.

Stuttgart - Im Sommerwind über menschenleeren Fjordlandschaften schwebt diese Trompete, sie erzählt von lodernder Hoffnung und von sengender Sehnsucht, ihre Stimme umfließt die Hörer und zieht sie in ihren Bann. Am Mund des Norwegers Nils Petter Molvaer wird das Instrument zum eigenständigen Organismus, das nicht mit Gefühlen spielt, sondern sich deren wahrem Wesen nähert.

Im intimen Rahmen des Stuttgarter Jazzclubs Bix, für Molvaer eigentlich viel zu klein und folgerichtig komplett ausverkauft, kommt sein atmosphärischer Jazz-Impressionismus zu voller Blüte. Wie ein Hypnotiseur schickt er Trompetentöne durch Echoschleifen und andere elektronische Verfremder, mit viel hörbarer Atemluft lässt er sein Geschöpf mal introvertiert fordern, flehen und klagen, mal explosiv aufbegehren in flirrenden, ekstatischen Klangkaskaden.

2008 war Molvaer zuletzt zu Gast bei Jazz Open, damals im Amphitheater vor dem Mercedes-Museum – und er gehörte zu jenen, die Schwierigkeiten hatten, sich ihren Raum zu erkämpfen im Schatten der monumentalen Science-Fiction-Architektur und der gigantischen Sterne nahe des Zentrums der Macht. Nun ist Mercedes als Sponsor ausgestiegen, diese Jazz-Open-Spielstätte Geschichte und Molvaer da, wo er hingehört.

Die Elektronik hat nun eine dienende Funktion

Eine Rolle spielt sicher auch, dass er inzwischen seine langjährige Band ausgewechselt hat. Auch seine aktuellen Mitstreiter liefern ihm ein nervös vibrierendes Fundament aus pulsierenden Rhythmen und sich überlagernden Sounds, aber die damals neue elektronische Verfremdung, die Molvaer 1998 mit dem Album „Khmer“ 1998 ins Licht der Jazz-Öffentlichkeit rückte, hat nun eine dienende Funktion.

Gitarrist Geir Sundstøl spielt auf der verträumte Arpeggios und trockene Riffs, die mitunter zappaesk anmuten, die meiste Zeit über aber speist er an der Lap-Steel singende Akkorde und lyrische Improvisationen ein, die Molvaers musikalischen Fjorden eine unverhofft stimmige Hawaii-Note verleihen. Bassist Jo Berger Myhre lässt den E-Bass voller Unrast trippeln, er schlägt Akkorde und lässt Tieftöne mittels elektronischem Viagra zu bedrohlichem synthetischem Grollen anschwellen. Erland Dahlen am Schlagzeug hält alles zusammen, er liebt den Einsatz von Glocken und erzeugt mit Stöcken, Klöppeln und Besen vielgestaltige, organisch sich wandelnde polyrhythmische Muster.

Eine mächtige Dynamik entfalten Molvaer und seine Band, überwiegend mit Stücken vom jüngsten Album „Switch“ (2014), aber auch mit einigen Stücken von „Khmer“ und dem Nachfolger „Solid Ether“ (2000), die in der neuen Besetzung an Klarheit gewinnen. Das Ende dieser Klangreise fühlt sich an wie das Erwachen aus einem reichen, dunklen Traum. Das Jazz-Open-Publikum möchte ihn gar nicht gehen lassen, diesen norwegischen Klangmagier, dessen betörende Klänge süchtig machen können.