Jazz-Open-Chef Jürgen Schlensog (vorne links) mit Sänger Jamie Cullum bei der After-Show-Partyy im vergangenen Jahr im Ristorante La Commedia von Luigi Aracri (dahinter links) und Piero Cuna. Foto: Andreas Engelhard

Bei den Jazz Open zeigt sich im Alten Schloss: Konzerte sind auch ohne Handy-Fotos möglich. Jürgen Schlensog, der Veranstalter des Stuttgarter Festivals, ruft zu Beginn ins Publikum: „Shut up and listen.“ (Klappe halten und zuhören).

Stuttgart - Das Kuratieren eines Festivals unterscheidet sich von der Kaderplanung beim Fußball gar nicht so sehr, hörte Jürgen Schlensog, der Chef der Jazz Open, von einem Freund. Da wie dort gehe es um Folgendes, meinte dieser: „Man plant, sondiert, tüftelt, gestaltet, um am Ende festzustellen, dass alle Theorie grau ist.“

Der Promoter des Stuttgarter Jazzfestivals sieht es genauso. „Gewonnen wird auf dem Platz“, sagt Geschäftsmann Schlensog, „oder besser auf der Bühne.“

Nicht nur wegen der hervorragenden Spielplatzwahl (mit dem Alten und Neuen Schloss sind bis zum 14. Juli die beiden schönsten Freiluftbühnen der Stadt im Fokus) ist den Jazz Open der Aufstieg in die Champions League der Musikfestivals gelungen. Die Mischung aus Erfolgsgaranten wie Stammgast Jamie Cullum und Schlossplatz-Premieren von Weltstars wie Sting (vier von fünf Headlinern waren noch nie hier) kommt an.

Willkommen im schönsten Rotlichtviertel der Stadt!

In der Abenddämmerung entfaltet das illuminierte Alte Schloss seine Romantik. Als Burganlage zum Schutz des Stutengartens geht es bis aufs zehnte Jahrhundert zurück. Nun aber ist der einstige Wohnsitz der Herzöge und Fürsten so hip wie ein Jungbrunnen. Willkommen im schönsten Rotlichtviertel der Stadt! So manch ein internationaler Musiker kennt alte Schlösser nur als Nachbauten von Disneyland – und ist nun ganz begeistert von der Bühne im Arkadenhof.

Der Kanadier Chilly Gonzales, der bei Auftritten Bademäntel aus Seide trägt, um dem Publikum zu signalisieren „Fühl dich wohl, wie zu Hause“, verlässt mitten im Konzert schon mal sein Klavier. Dann beugt sich der extravagante Musiker nieder und legt sich auf den roten Bühnenboden. In sich versunken lauscht der 46-Jährige den Klängen seines Kaiser Quartetts, wenn es ohne den Meister spielt.

Auf diese Weise macht Gonzales eindrucksvoll vor, um was es bei den Jazz Open geht: „Shut up and listen“ – zu Deutsch: halt die Klappe und hör’ zu! Zur Begrüßung auf der Bühne hatte Veranstalter Jürgen Schlensog bereits dieses Motto ausgegeben, das ein Zitat von Musiklegende Quincy Jones ist.

Das Foto von den Cro-Fans sorgt für Gesprächsstoff

So wie es Freunde der Filmkunst ärgert, wenn im Kino laut Popcorn gegessen und geraschelt wird, sind Musikfreunde von Ablenkungen bei einem Konzert genervt, wenn Zuhörer etwa mit ihren Handys rumklicken. Bei Bob Dylan am Mittwoch ist dies streng verboten. Gesprächsthema im Vip-Bereich des Alten Schlosses (gesehen: VfB-Präsident Wolfgang Dittrich, Südwestbank-Chef Wolfgang Kuhn, Künstlerin Christa Winter, Kunstmuseums-Chefin Ulrike Gross, Sparda-Bank-Chef Martin Hettich, Galeristin Karin Abt-Straubinger, Wohnbau-Unternehmer Zoltán Bagaméry) ist das Foto von Cro-Fans in unserer Zeitung, wie sie den Auftritt des Rappers am Mercedes-Museum über den Monitor ihres Handys verfolgen. „Ist doch gut“, meint einer, „bald schicken die nur ihr Smartphone zum Konzert und bleiben daheim.“

Die Antwort weiß nur der Wind

Dass es anders geht, beweist das Konzert von „Gonzales über alles“ im Alten Schloss. Kaum einer fotografiert. Oder zeigt Schlensogs Appell Wirkung? Wie verhalten sich die Zuhörer bei Bob Dylan und dessen Fotografierverbot? Der Nobelpreisträger kann ein grandioses Konzert hinlegen und seinen Fans Tränen in die Augen treiben. Auch möglich ist, dass der 79-Jährige mit dem Rücken zum Publikum Halbverständliches runternuschelt.

Die Antwort weiß nur der Wind.