Erzählt am Mikrofon Anekdoten und am Saxofon dann die Geschichten dazu: Chico Freeman am Sonntagabend im Bix Foto: Opus/Peter Steinheißer

Chico Freeman lässt mit seinem Quartett den Klang und das Lebensgefühl des Jazz der 50er und 60er Jahre wieder lebendig werden, verfällt dabei aber nicht in Nostalgie – wie da geht, hat er am Sonntag beim Festival Jazz Open gezeigt.

Stuttgart - Wenn Chico Freeman ins Saxofon bläst, fühlt es sich an, als würde er den Startknopf einer Zeitmaschine drücken: Der 68-jährige, geboren in Chicago als Sohn des Jazz-Saxofonisten Von Freeman, hat die Blütezeit des Modern Jazz miterlebt – und er versteht es mit seiner dreiköpfigen Band, den Klang und das Lebensgefühl der Ära beim Clubkonzert wieder lebendig werden zu lassen. Wegen des WM-Finales spielt Freeman das einzige Jazz Open-Konzert am Sonntagabend, und siehe da: Das Bix ist einmal mehr gut gefüllt.

Freeman kann großartig Geschichten erzählen. Er leitet seine Stücke als Entertainer alter Schule mit kleinen Anekdoten ein, um sie dann am Saxofon auszuführen voller Seele und Lebensatem. Einige Nummern stammen von Freeman aktuellem Albums „Spoken Into Existence“, das die Tradition zwar zitiert, aber auf eine sehr zeitgenössische Weise fortführt. Um den großen Jazz-Drummer Elvin Jones, mit dem er selbst noch gespielt hat, geht es in einer Nummer mit polyrhythmischem Groove. Von einer Szene in einer dunklen Gasse aus einem Film Noir erzählt Freeman im Henry-Mancini-Stil, von seiner Tochter Luani, einer von fünf, in einer umwerfenden Ballade.

Schnippend suchen sie mitunter das richtige Tempo

Eine Band auf Augenhöhe hat Freeman mitgebracht. Den Pianisten Anthony Wonsey, in dessen Spiel der Blues ebenso wohnt wie die Sehnsucht, den Kontrabassisten Gust Tsilis, der unaufdringlich und einfühlsam begleitet und dem bei jedem guten Groove ein breites Grinsen ins Gesicht wächst, den versierten Drummer Rudy Royston, der dynamisch mit Rhythmen und Lautstärken spielt, dass es eine Lust ist. Mitunter schnippen Freeman und Royston einander zu, bevor sie beginnen, und einmal, ertappt, erklärt der Bandleader: „Das Tempo ist entscheidend und wir nehmen uns Zeit, das richtige zu finden, weil wir Euch so lieben!“ Wie eine freundliche kleine Sonne illuminiert Freemans afroamerikanischer Mutterwitz diesen Abend im Bix, der ein weiterer denkwürdiger geworden ist.