Der Norweger könnte am Wochenende in Schonach mit den Weltcup-Siegen 48 und 49 den Rekord von Hannu Manninen brechen. Das würde seinen Status untermauern, der beste Kombinierer der Welt zu sein – auch wenn es nicht immer rundläuft.
Ein interessanter Aspekt am Sport ist, dass er nie stehen bleibt, sein Gesicht stetig verändert, sich immer wieder neu erfindet. Und dass es keine Rekorde für die Ewigkeit gibt – weil niemand wissen kann, ob nicht irgendwann ein Athlet auftaucht, der noch talentierter, noch stärker und noch erfolgreicher ist. Die nordische Kombination ist dafür ein perfektes Beispiel.
Einst gab es den Finnen Hannu Manninen (43), einen Kerl wie ein Baum, eigentlich viel zu schwer fürs Skispringen. Aber ein Kämpfer in der Loipe. Insgesamt feierte Manninen in seiner Karriere 48 Weltcup-Siege, und viele dachten, dies sei eine Marke, die lange halten könnte. Nicht zuletzt, weil Eric Frenzel (33), der König der Kombinierer (3x Olympia- und 7x WM-Gold), beim Versuch, den Finnen zu übertrumpfen, scheiterte. Der Sachse gewann zwar fünfmal den Gesamtweltcup, blieb aber bei 43 Einzel-Siegen stehen, den letzten holte er im März 2018. Danach begann die große Zeit von Jarl Magnus Riiber.
Deutscher Sieg als Motivationshilfe
Der Norweger ist ein echter Überflieger, zwar (noch) nicht bei Großereignissen, dafür aber im Weltcup. Schon an diesem Wochenende, in den zwei Rennen beim Saisonabschluss in Schonach, könnte er Manninen hinter sich lassen – mit gerade mal 24 Jahren. Riiber ist der neue Superstar, was auch mit der Stärke deutscher Athleten zu tun hat.
Bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang bekam Riiber eine schmerzhafte Lektion erteilt. In den Einzel-Wettbewerben wurde er jeweils Vierter. Erst gewann Frenzel (Normalschanze), danach lagen in Johannes Rydzek, Fabian Rießle und Frenzel (Großschanze) gleich drei Deutsche vor ihm, die mit Vinzenz Geiger auch noch in der Staffel triumphierten. Das ärgerte Riiber nicht nur, es weckte auch seinen Ehrgeiz. „Dieser deutsche Dreifachsieg war eine große Motivation für mich“, sagt er, „danach habe ich viele Veränderungen vorgenommen.“ Seither ist er der nordische Dominierer.
Auf dem Niveau eines Spezialspringers
Dass die Konkurrenz dem Norweger meist hinterherläuft, liegt an dessen Qualitäten auf der Schanze. Riiber hat das Zeug zu einem Weltklasse-Skispringer. Im Januar, bei der norwegischen Meisterschaft der Spezialisten, belegte er hinter Johann-Andre Forfang Rang zwei. Was auch Alexander Stöckl beeindruckte. „Er ist technisch auf absolut höchstem Niveau“, sagt der Österreicher, der die Skispringer aus Norwegen trainiert, „wenn er sich entscheiden würde, künftig nur noch zu springen, hätte er einen Platz in meinem Team sicher. Es ist gut möglich, dass er sogar Weltcup-Springen gewinnen würde.“ Dennoch ist ein Wechsel ausgeschlossen. Jarl Magnus Riiber hat überlegt, bei den Olympischen Spielen in Peking in der Kombination und im Skispringen zu starten, der Qualifikationsmodus aber sprach dagegen.
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Weshalb sich der Kombinierer auf die Disziplin konzentrierte, in der er längst einen Sonderstatus hat – weil er meist auf der Schanze so weit vorne liegt, dass ihm als sehr gutem Läufer der Sprung aufs Podest sicher ist. Außer bei Großereignissen. Die Winterspiele in Pyeongchang kamen ein Jahr zu früh für Riiber. Bei der WM 2019 hatte Frenzel seine letzten glänzenden Auftritte, er siegte von der Großschanze und im Teamsprint mit Rießle. Riiber blieben zwei Titel (Normalschanze, Staffel) und einmal Silber (Teamsprint). Das war gut, aber aus seiner Sicht nicht gut genug. Ähnlich lief es 2021 in Oberstdorf, als der Stern des Österreichers Johannes Lamparter aufging. Der Österreicher schnappte dem großen Favoriten zwei WM-Titel weg (Großschanze, Teamsprint mit Lukas Greiderer). Riiber holte zwar zweimal Gold und zweimal Silber, sein ganz großes Ziel, wie Rydzek 2017 in Lahti in allen vier Rennen zu triumphieren, verpasste er aber. Klar, das war ein Klagen auf höchstem Niveau, erst recht, weil natürlich noch niemand ahnte, was bei den Olympischen Spielen 2021 passieren würde.
Herber Rückschlag bei Olympia
Riiber gehörte zu den Athleten, die bei der Einreise nach China positiv getestet wurden, er musste in Coronaquarantäne, verpasste das erste Rennen (Normalschanze), in dem sich Geiger Gold holte. Kaum draußen aus der Isolation, flog Riiber auf der Großschanze wieder allen davon. Er hatte in der Loipe einen Vorsprung von mehr als 40 Sekunden – und verlief sich am Ende der ersten von vier Runden im Stadion. Das kostete ihn fast eine halbe Minute, am Ende brach er, geschwächt durch die lange Trainingspause, ein und wurde Achter. Für die siegreiche norwegische Staffel wurde er dann, wohl auch aus Selbstschutz, nicht nominiert. Weshalb der Mann, der seit vier Jahren die klare Nummer eins seiner Sportart ist, weiter auf seinen ersten Olympiasieg warten muss.
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Die Erfahrung lehrt, dass ihn diese Tatsache noch mehr motivieren wird. Die Winterspiele 2026 finden in Val di Fiemme statt. Es ist das nächste ganz große Ziel von Jarl Magnus Riiber. Über Hannu Manninen und dessen verlorenen Bestmarke wird dann schon längst niemand mehr reden – weil es im Sport keine Rekorde für die Ewigkeit gibt.