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Jan Josef Liefers hat mit seiner Band Radio Doria eben das Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ veröffentlicht und spielt am 26. September live im Club Scala in Ludwigsburg. An diesem Sonntag ist er im „Tatort“ aus Münster zu sehen, sein Titel: „Mord ist die beste Medizin“.

Jan Josef Liefers hat mit seiner Band Radio Doria eben das Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ veröffentlicht und spielt am 26. September live im Club Scala in Ludwigsburg. An diesem Sonntag ist er im „Tatort“ aus Münster zu sehen, sein Titel: „Mord ist die beste Medizin“.
 
Herr Liefers, was für Musik lief auf Ihrer Geburtstagsparty Anfang August?
Meine Frau Anna hat mit ihrer Band gespielt, ich mit meiner, Rea Garvey hat einen Song extra für diesen Tag geschrieben – es gab also viel Live-Musik.
Es war also alles ganz nach Ihrem Musikgeschmack . . .
Ich bin Musik gegenüber komplett offen. Abgesehen von Schlager und Volksmusik, das hören Sie bei mir nicht. Aber ansonsten verliere ich mit zunehmenden Alter immer mehr ideologische Schranken.
Als Musiker sind Sie noch nicht so bekannt. 2002 gab es sogar mal einen Eintrag in einem Musikforum mit der Überschrift „Who the fuck is Jan Josef Liefers?“.
Das kam damals durch unser Konzert bei „Rock am Ring“. Denn unser erstes Konzert fand nicht in irgendeinem Keller vor zwölf Zuschauern statt, sondern auf der Center-Stage von Rock am Ring. Einer der Organisatoren hatte unser englisches Album gehört und uns dann den Auftritt ermöglicht. Es war nachmittags, das Publikum wirkte noch etwas verschlafen, keine Sau wusste, wer da jetzt gerade auf der Bühne steht und Musik macht.
Wünschen Sie sich das heute auch noch manchmal? Dass die Leute Sie nur als Musiker auf der Bühne sehen, unbeeinflusst von Ihrer TV-Prominenz?
Ja, das wäre die Idealvorstellung. Ein Grund mehr, aus dem ich dafür war, dass unsere Band einen neuen Namen kriegt: Radio Doria. Früher hießen wir Jan Josef Liefers & Oblivion – dass da mein Name drinstand, hat mich immer gestört. Natürlich wünschst du dir eine vorurteilsfreie Begegnung mit dem, was du machst. Aber in meinem Fall geht das fast nicht mehr.
Bedauern Sie das?
Es hat auch Vorteile. Und es ist okay. Ich bin nun schon einige Jahre Schauspieler, und manche Leute haben einfach ihre Meinung. Interessant ist, dass sich manchmal sogar Menschen zu Wort melden, die mir noch nie persönlich begegnet sind, nie auch nur ein einziges Wort mit mir gewechselt haben, aber genau wissen, wie ich in Wahrheit ticke. Das ist schon abgefahren.
Wie wichtig ist es für Sie, mit der Band erfolgreich zu sein?
Solange wir uns freuen, miteinander unterwegs zu sein und Musik zu machen, so lange werden wir auch ein Publikum finden, das sagt: „Find’ ich gut.“ Das ist doch schon ein Erfolg.
Haben die Charts einen Reiz für Sie?
Die Musik-Charts kommen mir so ein bisschen vor wie die Einschaltquoten im Fernsehen. Es wird ermittelt, wie erfolgreich eine Sache ist, im kommerziellen Sinn. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn von uns ein „Tatort“ 13 Millionen Zuschauer hatte, dann ist damit ja auch noch nichts darüber gesagt, ob das jetzt ein besonders guter „Tatort“ war oder nicht. Kommerzieller Erfolg ist gut, aber nicht alles.
Schauen Sie sich die „Tatort“-Quote an?
Das ist unvermeidlich. Wenn die Zahlen am Montagmorgen veröffentlicht werden, bekomme ich bestimmt sechs, sieben SMS. Und da steht nicht drin „Gratuliere zu dem tollen Film“ sondern „Gratuliere zu der irren Quote“.
Wer gratuliert Ihnen zur Quote?
Leute aus dem Sender zum Beispiel. Auch mal Journalisten oder einfach Kollegen.
Aber der Sender ist doch auf die Quote gar nicht angewiesen.
Nicht in Bezug auf das Geld. Aber die öffentlich-rechtlichen Sender argumentieren so: Wir sind gebührenfinanziert, und die Einschaltquote gibt uns Auskunft, ob wir unser Publikum erreichen, das ja immerhin die Gebühren an uns zahlt und deshalb auch ein Recht darauf hat, gut unterhalten zu werden. Wir können nicht ein Programm machen, das keine Sau interessiert.
Gibt es da ein Verantwortungsgefühl, weil Ihre „Tatort“-Gage gebührenfinanziert ist?
Ich zahle doch auch GEZ-Gebühren. Nein, mein Verantwortungsgefühl hat mit Geld nichts zu tun. Das hat für mich immer nur mit der Arbeit zu tun. Ich habe früher auch mal Sachen nur für die Kohle gemacht. Aber ich habe das dann immer bereut, es ist nie was Gutes dabei herausgekommen. Heute bin ich in der privilegierten Situation, dass ich mir die Dinge ein bisschen aussuchen kann, von zwölf Drehbüchern kann ich im Jahr acht locker absagen. Das ist meine Verantwortung: nicht das zu machen, was die meiste Kohle bringt.
Der „Tatort“ greift häufig aktuelle Themen auf. Versuchen Sie auch mit Ihrer Band, einen „aktuellen“ Sound zu spielen?
Ja, aber nicht zwanghaft. Es ist eine Geschmackssache. Und es gibt das berühmte Problem der „Radiosingle“. Das ist für mich immer wieder verblüffend: Da hast du einen Hammer-Song geschrieben, alle Freunde finden den toll, sogar der Musikredakteur im Funkhaus sagt, dass er es mag, aber dann heißt es: Können wir nicht spielen, das wollen unsere Hörer nicht. Der Musiker lernt schmerzlich, dass sein Hammer-Song also nicht nur gut, sondern auch „radiokompatibel“ sein muss.
Gibt es da eine Parallele zur TV-Quote?
Ja. Für Fernsehsender wie für Radiosender ist es das Schlimmste, wenn jemand wegschaltet. Wenn fünf anrufen und sagen: „Das ist Mist“, wiegen diese fünf, die vielleicht wegschalten könnten, mehr als die 500, die es gut finden. Das ist schon irritierend. Die Konsequenz ist, dass man versucht, es allen recht zu machen. Daraus entsteht dieser Mainstream, der versucht, allen zu gefallen.
Ist der „Tatort“ Mainstream?
Die Marke „Tatort“ sicher, aber nicht jeder „Tatort“ muss das erfüllen. Es gibt unter den „Tatorten“ immer wieder welche, die stark polarisieren. Auch der Münster-„Tatort“ war in seiner Anlage eher speziell und sehr anders als die anderen. Das hätte auch nach hinten losgehen können. Und man machte sich entsprechende Sorgen. Beim Münster-„Tatort“ wurde etwa noch bis eine Woche vor dem ersten Drehtag darüber debattiert, ob es die kleine Alberich als Figur wirklich geben soll und ob Boerne über diese Figur Witze machen darf. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Sender keine einfache Entscheidung.
In der neuen Folge „Mord ist die beste Medizin“ gibt es einen Witz über Gehörlose.
Witz ist nicht gleich Witz. Es kommt auf die Situation und das Motiv an. Darf man über Krebs Witze machen? Generell würde ich sagen: Na klar. Begrenzen kann das nur das eigene Stilgefühl und der gute Geschmack. Und wenn einer was dagegen hat, ist das nicht so schlimm. Es ist ja nur ein Film. Wenn man nichts wagt, gewinnt man auch nichts. Der Münster-„Tatort“ ist nicht so erfolgreich geworden, weil man gesagt hat, „wir machen alles auf Nummer sicher“.
Sie sind als Schauspieler sehr beliebt. Was tun Sie, um sich nicht auf den hohen Sympathiewerten auszuruhen?
Ich arbeite einfach. Sympathiewerte – so was blende ich komplett aus. Das ist mir zu abstrakt.
Aber dass Sie die Rangliste der beliebtesten „Tatort“-Ermittler mit Axel Prahl seit einiger Zeit anführen, das macht sich doch sicher mal bemerkbar.
Hm, wo merke ich das? Es kommt tatsächlich vor, dass Leute auf der Straße zu mir sagen: „Sie hatten doch vor zwei Tagen Geburtstag.“ Das haut mich immer um, weil ich mir denke, dass die Menschen ja ihre eigenen Probleme haben. Aber die wissen, dass du am 8. August Geburtstag hast, und gratulieren dir auch noch dazu.