Teile der Verhandlungsdelegation von Grünen und FDP stehen am 19.10.2017 in Berlin beim Treffen zur Vorbereitung auf den Start der Jamaika-Sondierungsverhandlungen am Freitag. Foto: dpa

Dieser Weg wird für Union, FDP und die Grünen kein leichter sein. Und trotzdem warnt Kanzleramtsminister Peter Altmaier vor dem Start der Verhandlungen: Bloß nicht schludern!

Berlin - Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat die potenziellen Jamaika-Partner vor Beginn der ersten gemeinsamen Sondierungsrunde zu gründlichen Verhandlungen aufgefordert. Die schweren Aufgaben hin zu seinem solchen Bündnis seien nicht in 48 Stunden zu lösen, sagte der CDU-Politiker am Freitag. „Aber wenn wir mit Ambiguitäten, mit bewussten Unklarheiten in die nächsten vier Jahre gehen, dann werden wir für die Nachlässigkeit von heute mit dem Streit in den Jahren 2018, ‚19, ‚20 und ‚21 zu büßen haben.“

Knapp vier Wochen nach der Bundestagswahl starten Union, FDP und Grüne am Freitagnachmittag in gemeinsame Sondierungen für eine Jamaika-Koalition. Es wird mit langwierigen und schwierigen Gesprächen gerechnet.

Zwölf zentrale Themenblöcke

Vor dem ersten Treffen in der großen Runde von mehr als 50 Unterhändlern einigten sich die Parteien auf zwölf zentrale Themenblöcke. Zu den kritischen Themen gehören neben der Flüchtlingspolitik unter anderem der weitere Kurs in Europa, die Energie- und Klimapolitik und steuerliche Entlastungen. An erster Stelle kommen am Freitag die Themen Finanzen, Haushalt und Steuern auf den Tisch, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre dürften nach Worten Altmaiers nicht aufs Spiel gesetzt werden. Deutschland habe es nach Jahren des Rückschritts geschafft, einen Neuanfang zu machen hin zu einer der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften. Es herrsche großes Vertrauen in das Land, in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und in die politische Führung. „Das Vertrauen müssen wir auch in einer Jamaika-Koalition rechtfertigen.“

Für die Grünen haben in einer möglichen Koalition Investitionen Vorrang vor Steuerentlastungen. „Wir müssen uns klarmachen, dass in Deutschland jede dritte Brücke baufällig ist, dass wir 100 Milliarden Investitionsstau in den Kommunen haben“, sagte der Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin am Freitag im ARD-„Morgenmorgenmagazin“. Auch in der Pflege seien Investitionen nötig. Skeptisch äußerte er sich zur FDP-Forderung nach Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

„Vorschläge von Pfadfindern“

Die CSU warnte die möglichen künftigen Partner vor einem Verlassen bewährter Wege. „Bei vielen Vorschlägen von FDP und Grünen scheint es sich mehr um Vorschläge von Pfadfindern zu handeln, die erst noch einen Kompass brauchen“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der „Rheinischen Post“ (Freitag). Er reagierte damit auf die Ankündigung von FDP und Grünen, den „ausgetretenen Pfaden der Union nicht folgen“ zu wollen.

Zwischen Grünen und FDP gibt es trotz dieser gemeinsamen Absichtserklärung weiter genügend Dissens. So stieß FDP-Chef Christian Lindner mit seinen Vorschlägen für eine Reform der Eurozone auf heftige Kritik. „Diese permanente Angst davor, dass gutes deutsches Geld in einem südeuropäischen Moloch versinkt, ist geradezu paranoid“, sagte die Europaexpertin und Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner der dpa. Niemand fordere eine Transferunion.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) warnte Union, FDP und Grüne davor, bei den Verhandlungen nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Jamaika funktioniere nur, „wenn alle Parteien sich gegenseitig Raum zugestehen, um wichtige Projekte durchzusetzen“, sagte er dem Magazin „Focus“.

Verdi-Chef Frank Bsirske forderte derweil Antworten auf die sozialen Herausforderungen im Land. Die möglichen Koalitionäre sollten die Botschaft ernst nehmen, die im Ergebnis der Bundestagswahl stecke. „Die Botschaft war, dass es eine untergründige Sorge um die Zukunft in dieser Gesellschaft gibt“, sagte Bsirske der dpa in Berlin.

CDU, CSU, FDP und Grüne teilten am Freitag die Termine von fünf weiteren Sondierungsrunden nach dem Auftakttreffen in großer Formation an diesem Nachmittag mit. Demnach wollen sich die Unterhändler am 24., 26. und 30. Oktober treffen sowie am 1. und 2. November. Nach unklar ist, in welcher Größe die Gespräche jeweils stattfinden werden.