Noch kurz vor dem Gewitter spielt die Band unverdrossen weiter. Foto: Heinz Heiss

Nachbarn, Ehrenamtliche und Lokalpolitiker feiern beim Sommerfest der Anlaufstelle für Prostituierte.

Stuttgart-Mitte - Vier mal in der Woche können sich Prostituierte vom belegten Brötchen bis zum konkreten Tipp über eine mögliche Zukunftsperspektive außerhalb des Milieus in der Jakobstraße 3 versorgen lassen. Am Donnerstagabend blieben sie nicht unter sich. Zum Sommerfest des Cafes „La Strada“ für weibliche Prostituierte und der Anlaufstelle „Cafe Strichpunkt“ für männliche Stricher sind im Lauf des Abends zahlreiche Gäste aus dem Kreis der Ehrenamtlichen und Mitarbeiter beider Einrichtungen mit ihren Familien, Nachbarn und Vertreter städtischer Einrichtungen sowie der Verwaltung erschienen. So auch Sozialbürgermeistern Isabel Fezer, Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle sowie Stadträte und Stadträtinnen wie Judith Vowinkel (SPD). „Wir haben die Hilfen für Prostituierte als Schwerpunktthema in unserer Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“, berichtet sie. Vowinkel und ihren Mitstreiterinnen wollen höhere und strengere Auflagen für Bordelle, sie wollen den immer zahlreicher werdenden Zuzug von Prostituierten verringern und sie wollen den betroffenen Frauen den Übergang in eine bürgerliche Existenz erleichtern.

Mit diesen Problemkreisen in ihrer ganz realen Erscheinungsweise hat tagtäglich Sabine Constabel zu schaffen, denn die Sozialarbeiterin koordiniert die Arbeit im La Strada. „Wir haben hier nur noch Armutsprostitution und die ist gleichbedeutend mit Zwangsprostitution. Die meisten Frauen kommen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn“, berichtet sie. „Und keine von ihnen ist morgens in ihrem Heimatort aufgewacht und hat sich gedacht, ich will Hure in Stuttgart werden.“ Nicht etwa skrupellose Schlepper locken die ausnahmslos sehr jungen Frauen zwischen 18 und 25 Jahren mit falschen Versprechungen auf einen seriösen Arbeitsplatz nach Deutschland, sondern ihre Familien selbst stecken oft hinter ihrem Schicksal, erzählt Constabel. „Da kommt der Vater oder der Bruder und bringt die Frau hierher, damit sie Geld anschafft und das nach Hause schickt. Die Frauen haben meistens als Teenager das erste Kind bekommen. Väter haben sich fast immer abgesetzt und wenn die Frau nicht anschaffen geht, dann haben ihre Kinder zuhause bei der Großmutter nichts zu essen und verlieren die Wohnung.“ Schilderungen von diesem Teufelskreis hat die Sozialarbeiterin schon in allen Variationen gehört und sie freut sich darüber, dass die Anlaufstelle so gut angenommen wird. „Ich brauche nur einmal durchs Viertel zu gehen und werde gleich mehrmals angesprochen.“

Das La Strada ist immer auf der Suche nach Dolmetschern

Für ein richtiges Gespräch reichen die Deutschkenntnisse jedoch meistens nicht aus. Das La Strada ist deshalb immer auf der Suche nach Dolmetschern. Viele Frauen seien dazu noch Analphabetinnen und deshalb besonders wehrlos der Situation ausgeliefert. „Für ein Zimmer zahlen sie bis zu 150 Euro am Tag, dann müssen sie noch Geld nach Hause schicken. Man kann sich ausrechnen wie viele Freier sie dafür bedienen müssen“, gibt Judith Vowinkel zu bedenken und Constabel weiß: „Für 30 Euro machen sie alles und sie gieren nach Hilfe.“

Deshalb wurde beim Fest mit gepflegtem Balkan Swing auch Rosemarie Roller vom Frauenunternehmen Zora von einer Frau sofort mit einem Schreiben des Jobcenters konfrontiert. Roller ist Projektleiterin des „Plan P“, einem Programm von Stadt und Land, über das ausstiegswillige Prostituierte in die Arbeitswelt vermittelt werden. „Ich habe im Moment eine Gruppe von insgesamt 48 Frauen, alles ehemalige Prostituierte“, sagt sie. Das La Strada und das Cafe Strichpunkt werden vom Gesundheitsamt, der Caritas, der Aidshilfe und dem Verein zur Förderdung von Jugendlichen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten getragen.