Die Nutzfahrzeugsparte von Daimler hat 2015 mit 2,7 Milliarden Euro einen Rekordwert beim operativen Ergebnis eingefahren. Wegen schwächelnder Absatzmärkte dürfte das laufende Geschäftsjahr aber ein hartes Stück Arbeit werden.

Stuttgart - Ein paarmal schon hat Daimler Hilfskonvois für Flüchtlingslager auf die Straße gebracht. Meist eher unauffällig. Der vierte Hilfskonvoi aber in Richtung Südtürkei startet vor Journalisten im Anschluss an die Vorstellung der Jahreszahlen der Lkw-Sparte des Autokonzerns Daimler vom Stuttgarter Hafen aus. „Danke“, sagt Daimler-Trucks-Chef Wolfgang Bernhard auf Türkisch zu einem der Fahrer, Händeschütteln, Lächeln, Kamerablitzen, Hupen, dann verschwinden die neun Lkw.

Die Fragen an Bernhard bleiben. Wie soll die Nutzfahrzeugsparte 2016 überhaupt wachsen? Es ist ein schwieriges Jahr, das dem Manager bevorsteht. Denn wichtige Absatzmärkte schwächeln gewaltig. So ist die Nachfrage in Indonesien gegenüber dem Vorjahr um 32 Prozent eingebrochen (die Prognose war: plus zehn Prozent) – in Brasilien waren es ganze 49 Prozent (Prognose: minus zehn Prozent).

Und auch für 2016 ist keine Besserung in Sicht: „Ein schwieriges Umfeld wird noch schwieriger“, sagte Bernhard. Für Brasilien rechnet Bernhard mit einem weiteren Rückgang um zehn Prozent. Dort wird er Stellen abbauen müssen. Er versuche, das sozialverträglich zu tun, sagte er. Doch er könne betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen. Im vergangenen Jahr hatte Daimler angekündigt, dort 1500 Stellen streichen zu müssen. Doch die Gewerkschaften durchkreuzten den Plan. In Brasilien beschäftigte Daimler zuletzt gut 10 000 Mitarbeiter in seinen Lkw-Werken in Juiz de Fora und São Paulo. Schon in den vergangenen drei Jahren waren etwa 3000 Mitarbeiter mit Abfindungen zum Gehen bewegt worden. Weltweit arbeiten 86 400 der 284 000 Daimler-Mitarbeiter für die Truck-Sparte.

Wegen schwächelnder Absatzmärkte muss Daimler Trucks Stellen abbauen

Auch in der wichtigen Region Nafta (USA und Kanada sowie Mexiko) hat Bernhard mit einem schwierigen Marktumfeld zu kämpfen. Er rechnet im Bereich der mittleren und schweren Lkw mit einem Nachfragerückgang von zehn Prozent.

Auf diese Schwäche hatte Daimler bereits reagiert und jüngst an zwei Standorten den Abbau von 1250 Stellen angekündigt. Der Stuttgarter Autobauer verkauft in Nordamerika etwa 40 Prozent seiner Lastwagen weltweit und beschäftigt dort rund 17 000 Mitarbeiter. Auch in Japan sieht es nicht rosig aus: Dort rechnet Bernhard mit Stagnation. Als neuer Hoffnungswert gilt der iranische Markt – nach der Beilegung des über 13 Jahre hinweg schwelenden Atomstreits. Nach der Aufhebung der Sanktionen kann der Iran in diesem Jahr auf die wirtschaftliche Bildfläche zurückkehren. Wann dies so weit ist, wird maßgeblich davon abhängen, wann Zahlungen und Kreditversicherungen im Irangeschäft wieder in vollem Umfang laufen. Der Erfolg dort sei aber längst kein Selbstläufer, sagte Bernhard. Denn die Lücke, die Daimler dort hinterlassen hätte, sei längst von chinesischen Anbietern ausgefüllt worden. Bernhard rechnet damit, dass der Markt eine ähnliche Größenordnung wie die Türkei habe. Das seien etwa 40 000 Lkw im Jahr.

Auch an den afrikanischen Markt knüpft Bernhard Erwartungen: „Afrika ist ein Markt, den wir nicht einfach abschreiben können“, sagte Bernhard. „Den Markt werden wir nicht einfach der Konkurrenz überlassen.“ Erst vor kurzem hat Daimler in Nairobi ein neues Vertriebszentrum aufgemacht. Daimler Trucks verstärkt seine Präsenz in Schwellenändern mit vielversprechendem Wachstumspotenzial durch insgesamt sechs neue Regionalzentren.

Trotz der schwierigen Großwetterlage wolle Daimler mit seinen Nutzfahrzeugen auch 2016 das 2015 erreichte Rekordniveau bei Absatz und Gewinn halten, gibt sich Bernhard vorsichtig optimistisch.

Die Lkw-Sparte von Daimler verbucht ein Ebit von 2,7 Milliarden Euro

Mit gut einer halben Million verkauften Nutzfahrzeugen hatte die Lkw-Sparte einen operativen Gewinn von 2,7 Milliarden Euro erwirtschaftet, ein Sprung um ein Drittel. Der Absatz stieg auf 502 478 Einheiten. Im Vorjahr waren es noch 495 668. Damit hat Daimler die Zielmarke von einer halben Million Fahrzeuge geknackt.

Und auch bei der Rendite ist Daimler mit seiner Nutzfahrzeugsparte auf dem Weg, seine Vorgaben zu erreichen. Die Rendite war 2015 um fast einen Prozentpunkt auf 7,3 Prozent gestiegen und hatte sich damit der Zielmarke von acht Prozent weiter genähert.

Weiteres Wachstum sei möglich, da Daimler Trucks nicht nur von einem Markt abhängig sei, sagte Bernhard. Impulse erwartet er sich für 2016 vom europäischen Markt. Dort sei ein leichter Marktzuwachs möglich. Eine wieder anziehende Nachfrage sei aus schwächelnden südeuropäischen Ländern wie Spanien zu spüren, sagte Bernhard.

Wachstum verspricht sich der Lkw-Hersteller von einer Strategie, die Technologieführerschaft, die globale Marktpräsenz und sogenannte intelligente Plattformen vereint.

Info

Daimler schickt regelmäßig Hilfskonvois mit Sachgütern in Gebiete mit Flüchtlingslagern. Der vierte Konvoi geht ins knapp 4000 Kilometer entfernte Flüchtlingslager Gaziantep im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Die Zahl der Menschen in den türkischen Flüchtlingslagern ist auf 2,5 Millionen gestiegen. Daimler organisiert den Konvoi zusammen mit der Frankfurter Hilfsorganisation „Luftfahrt ohne Grenzen“. Der erste Sattelschlepperzug ging bereits 2013 an den Start. Zur Finanzierung der 250 Tonnen Hilfsgüter im Wert von 1,25 Millionen Euro haben die Daimler-Beschäftigten gespendet. Für den vierten Konvoi haben die Mitarbeiter 72 470 Euro zur Verfügung gestellt. Das Unternehmen habe die Summe auf 144 940 Euro verdoppelt, so Daimler-Trucks-Chef Wolfgang Bernhard. Insgesamt haben die Daimler-Beschäftigten und das Unternehmen für die vier Hilfskonvois und für zwei Hilfsflüge eine halbe Million Euro gespendet