Jeden Sonntag versammeln sich Stuttgarter, um für Europa zu demonstrieren, wie hier auf dem Schlossplatz. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Vor 60 Jahren wurde mit den Römischen Verträgen der Grundstein für die Europäische Union gelegt. Lange dominierten europakritische Stimmen. Nun gehen viele Menschen für die Union auf die Straße.

Stuttgart - Ein Gerücht zur Europäischen Union hält sich hartnäckig: Die EU-Politiker sitzen den ganzen Tag in Brüssel und diskutieren über die richtige Krümmung von Gurken. In Wirklichkeit kam der Anstoß zu der sogenannten „Gurkenkrümmungsverordnung“ aus dem Handel und existiert laut Bundesregierung längst nicht mehr. Gerüchte wie diese zeigen, dass für viele Bürger die EU ein schwer zu fassendes Konstrukt ist. Doch ist die Europäische Union wirklich nur ein bürokratisches Monster, welches uns sonst nichts bringt?

Vor genau 60 Jahren, am 25. März 1957, wurde in Rom die Grundlage für die heutige Europäische Union gelegt. Die Benelux-Länder, Deutschland, Italien und Frankreich unterzeichneten an diesem Tag die Römischen Verträge, in denen die Einheit Europas als gemeinsames Ziel besiegelt wurde. Grundlage für die europäischen Zukunftspläne waren die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM). 28 Mitgliedsstaaten hat die EU heute, davon haben 19 Staaten seit dem 1. Januar 2002 mit dem Euro eine gemeinsame Währung.

Mit „Pulse of Europe“ ist eine Gegenbewegung zur ständigen EU-Kritik entstanden

Heute ist die Europäische Unionmehr als nur ein Binnenmarkt oder eine Währungsunion. Die Mitgliedsstaaten teilen gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Die Gemeinschaft hat außerdem dazu beigetragen, dass Europa die längste Friedenszeit nach Jahrhunderten von Kriegen und Konflikten verbuchen kann. Trotzdem mehren sich in vielen Ländern die Tendenzen, die Sinn- und Werthaltigkeit der EU in Frage zu stellen. Für einen Teil der Bürger ist die EU zu weit weg von ihrem Alltag, die ausufernde Bürokratie wird kritisiert ebenso wie eine Dominanz einiger Länder in den ohnehin komplizierten Entscheidungsfindungsprozessen.

Viele EU-Skeptiker forderten in den letzten Jahren gar die Rückkehr zum Nationalstaatenmodell. Die Ablehnung der Europäischen Union in ihrer extremsten Form gipfelte im Jahr 2016 im Brexit – der Entscheidung Großbritanniens aus der EU auszutreten. Man wolle das eigene Land zurück, kein Geld mehr für Europa verschwenden, waren zum Beispiel einige Argumente der Brexit-Befürworter. Ähnliche Parolen sind auch in Frankreich und in den Niederlanden immer lauter geworden. Mit „Pulse of Europe“ gibt es nun eine Gegenbewegung. Jeden Sonntag gehen tausende Menschen in etwa 60 europäischen Großstädten auf die Straße und kämpfen für die EU.