Ralf Strohm hat seinen Traumberuf ergriffen: Er schlug die Polizeilaufbahn ein, um Taucher zu werden. Foto: Lichtgut/Jan Reich

Verbrecher halten das Entsorgen von Beweismaterial in Flüssen und Seen für eine sichere Sache. Sie haben ihre Rechnung ohne die Spezialisten der Wasserschutzpolizei gemacht: die Polizeitaucher.

Stuttgart - Für Laien klingt es schrecklich, was Ralf Strohm und seine Kollegen von der Wasserschutzpolizei Mitte Oktober des vergangenen Jahres zu tun hatten: Sie mussten nach dem Fund einer Toten im Neckar auf Tauchgang gehen und im Fluss nach weiteren Spuren der Tat suchen. Da die Frau auf brutale Weise ermordet und verstümmelt worden war, war zu befürchten gewesen, dass auch weitere Leichenteile zu finden sein würden. Die Leiche einer 72-jährigen Frau war am 17. Oktober im Neckar bei der Gaisburger Brücke gefunden worden. Ruderer hatten sie entdeckt. Die Sonderkommission „Ruder“ nahm alsbald einen Freund der Frau ins Visier. Er sitzt als Tatverdächtiger in Untersuchungshaft.

Eine Leiche im Wasser zu finden, das darf einen Polizeitaucher nicht schocken, sagt Ralf Strohm. „Das gehört dazu.“ Der Einsatz nach dem Tötungsdelikt im Oktober sei dennoch bemerkenswert gewesen: Man habe zwar nichts gefunden. Aber die abgetauchte Strecke war enorm lang: Auf einem sieben Kilometer langen Abschnitt gingen die Taucher immer wieder ins Wasser. Schließlich habe man nicht gewusst, wo die getötete Frau ins Wasser geworfen worden war. Die Polizei vermutet, dass sie in der Wohnung des Tatverdächtigen in Esslingen-Mettingen umgebracht worden war.

Taucher können Einsätze jederzeit auch ablehnen

Bisher habe er noch nie Probleme gehabt mit dem, was er unter Wasser gefunden hat. Aber: „Jeder ist unterschiedlich“, sagt Ralf Strohm über die Taucher bei der Wasserschutzpolizei. Die Suche nach Spuren im Mordfall an einer 72-jährigen Frau gehöre für ihn nicht zu den besonders belastenden Einsätzen. Auch gilt bei den Polizeitauchern, dass niemand in einen Einsatz muss: „Man darf jederzeit Nein sagen, wenn man sich nicht wohlfühlt mit einer Aufgabe. Oder wenn man an einem Tag nicht fit ist“, erläutert der 39-jährige Polizeitaucher. Für ihn kommen Einsätze, bei denen es um verunglückte Kinder geht, nicht in Frage. „Ich bin selbst Vater, das kann ich nicht.“ Hingegen habe er kein Problem damit, nach Waffen zu tauchen. „Wir kooperieren mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst“, erläutert Strohm. Beim Bergen von Überresten aus dem Zweiten Weltkrieg sei höchste Vorsicht geboten. Etwa wenn man eine Phosphorbombe nach oben bringen muss. Die verpacken die Taucher dann unter Wasser in einen dichten Behälter. Dabei sei Fingerspitzengefühl gefragt, wie auch schon bei der Identifizierung der Bombe: Entgegen der landläufigen Meinung ist es nämlich nicht so, dass man unter Wasser im Fluss wenig sehe: „Man sieht gar nichts“, sagt Ralf Strohm. Die Taucher müssen sich auf ihren Tastsinn verlassen können. Zusätzlich dazu steht ihnen zur Suche noch das Sonar zur Verfügung, das mit Schallwellen Gegenstände im Wasser orten könne. Wichtig sei auch zu wissen, wo im Wasser gefahren lauern: „Bei der Gaisburger Brücke liegen alte Fundamente. Aus denen ragen Stahlarmierungen auf. Daran kann man sich verletzten oder sich daran verfangen“, sagt Strohm.

Die Leine verbindet den Taucher mit seinen Kollegen

In der dunklen Unterwasserwelt ist die beste Verbindung nach oben die Leine, an der der Taucher hängt. Zieht der Polizist unter Wasser daran, kann er damit den Kollegen oben am Ufer oder im Boot Signale geben. Außerdem verfügt die Wasserschutzpolizei über sogenanntes Unterwassertelefon, das mit Ultraschallwellen funktioniere. Ansonsten ist man von der Außenwelt abgeschnitten – auch gedanklich. „Man vergisst die Kälte und alles und konzentriert sich nur auf die Suche und den Auftrag“, sagt Strohm.

Ralf Strohm ist zur Polizei gegangen, weil er Taucher werden wollte. „Das habe ich dem Einstellungsberater gleich so gesagt“, erzählt der Oberkommissar. Jeder Taucher wird zunächst Wasserschutzpolizist, dann Taucher. Innerhalb der Polizei seien sie eine besondere Truppe, erzählt der 39-Jährige. „Man kennt sich besser, es geht nicht so hierarchisch zu. Jeder muss sich auf jeden verlassen können. Manchmal hängt auch der Dienstgruppenleiter an der Leine und taucht. Dann hat der Tauchergruppenführer als Einsatzleiter das Sagen“, schildert er.

Häufig sind Einsätze, bei denen Spuren von Verbrechen gesucht werden. Es müsse einen Zugang zum Wasser geben, das sei immer ein guter Ansatz für die Suche. Häufig kämen auch Hinweise von Anglern. Ein sicheres Versteck sei das Wasser nicht: „Die Leute meinen immer, wenn sie etwas ins Wasser werfen, dann ist es für immer weg. Aber das ist falsch – denn dann kommen wir“, sagt Ralf Strohm.