Stefan Bielack geht Heilverfahren von Krebserkrankungen bei Kindern auf den Grund. Foto: Lg/Willikonsky

In unserer Serie 12 aus 16 stellen wir Persönlichkeiten vor, die bei einem Ereignis oder Thema eine Rolle gespielt haben. Der Onkologe Stefan Bielack hat in den turbulenten Zeiten am Klinikum im vergangenen Jahr für einen besonderen Lichtblick gesorgt. Er hat den Deutschen Krebspreis gewonnen.

Stuttgart - Das Chefarztzimmer von Stefan Bielack liegt am Ende eines langen Flurs auf der Ebene C des Olgahospitals. Der Kinderonkologe findet die Lage richtig gut: Die zufälligen Begegnungen auf dem Flur sind ihm wichtig. Gerade hat er ein Mädchen mit von der Chemo kahlem Kopf und dessen Mutter getroffen. Die beiden erzählten ihm die gute Nachricht, dass es langsam wieder mit der Schule los gehe – und Bielack freute sich sichtlich mit.

Auch den meisten anderen Besuchern des Olgahospitals dürfte Stefan Bielacks Gesicht bekannt vorkommen. Das liegt daran, dass ein großes Transparent in der Eingangshalle mit seinem Konterfei hängt. Darauf gratuliert das Klinikum dem Ärztlichen Direktor zum Deutschen Krebspreis 2016.

Ende Februar hat Stefan Bielack die Auszeichnung verliehen bekommen, eine Woche später, im März, wurde das gefeiert. Es war eine Überraschungsparty vom ganzen Olgäle-Team, Bielack wusste von nichts. Der 56-Jährige erinnert sich noch, wie er von Leuten angesprochen wurde, dass sie stolz seien, in einem Haus zu arbeiten, wohin solche Preise verliehen würden. So etwas strahlt natürlich aus.

Interimsleitung mache einen guten Job

Der Deutsche Krebspreis ist sicherlich ein schöner Lichtblick fürs städtische Klinikum gewesen: zeigt er doch die Exzellenz im eigenen Haus in einem Jahr, das – abseits des medizinischen Tagesgeschäfts – ziemlich turbulent war. Nur wenige Tage nach der Feier im Olgäle kam es Mitte März zur Trennung vom langjährigen Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz. Die Hauptgründe: das Defizit von damals 27 Millionen Euro und die hohen Verluste mit ausländischen Patienten aus Libyen.

Stefan Bielack findet, dass die Interimsleitung seither einen guten Job gemacht habe. „Das Team hat es geschafft, die Belegschaft mitzunehmen.“ Er lenkt den Blick zurück auf das Positive: „Man trifft in diesem Haus in so vielen Bereichen auf engagierte Leute“, sagt er. Auch den Krebspreis habe sein ganzes Team gewonnen, sagt er.

Doch Bielack ist unbestritten der Kopf dieses Erfolgs. Der Onkologe ist nicht nur behandelnder Arzt, er ist auch Forscher. Seit 1996, damals war er noch in seiner Heimatstadt Hamburg, leitet er die deutsche Knochenkrebsstudiengruppe. Wegen der wenigen Fälle gibt es in der Kinderonkologie seit mehreren Jahrzehnten für jede Erkrankung eine eigene Studiengruppe. Knochenkrebs sei besonders selten, so Bielack – es komme nur zu wenigen Erkrankungen pro Jahr in Deutschland. Inzwischen hätten sie aber einen „riesigen Datenschatz“ von mehreren 1000 Patienten. Eine 2002 von ihm veröffentlichte Arbeit gehöre zu den meistzitiertesten Veröffentlichungen, sagt er stolz. Wie anerkannt die Stuttgarter Expertise ist, zeigt sich auch daran, dass Bielacks Abteilung ein Kompetenzzentrum ist. Alle deutschen Kliniken können sich ans Olgäle wenden und um Einschätzung bei einem Knochentumor bitten.

Der Krebspreis sei ihm aber für eine aktuelle Studie verliehen worden, deren Ergebnis dieses Jahr veröffentlicht wurde. Die Fragestellung lautete: Erhöht sich bei Patienten, bei denen die Untersuchung des operierten Tumors eine schlechte Prognose ergeben hat, die Heilungschance, wenn man nach der OP die Therapie intensiviert?

Auf dem Fahrrad kann er besonders gut abschalten

Für diese Studie „mussten wir uns internationalisieren“, sagt Bielack. Daten aus 17 Ländern flossen nach Stuttgart. Das Ergebnis ist allerdings anders als erhofft: die Änderung des Therapieplans führt nicht zu einer Verbesserung, sondern zu mehr Nebenwirkungen und mehr Langzeitfolgen. Immerhin wisse man jetzt, dass man den Patienten diese zusätzliche Belastung ersparen könne, sagt Bielack. Für ihn ist das Ergebnis ein Ansporn, nicht nachzulassen: „Wir müssen weiterkommen.“

Als er selbst Kind war, seien fast alle Knochensarkom-Patienten gestorben. „Heute schafft man es bei so vielen, das zu verhindern.“ Man bedachte damals nicht, dass der Tumor streuen könnte. Doch weiterhin ist Fakt: Heilung gelingt nicht immer. Das sei jedes Mal schwer, „das ganze Team ist immer sehr traurig“, sagt Bielack.

Er schaltet am besten auf dem Fahrrad ab. Ob Sommer oder Winter – er radelt die halbe Stunde zur Arbeit. „Ich habe zwei nette Töchter, das hilft auch“, sagt er. Außerdem gebe es in seinem Beruf viele erfüllende Momente: wenn Kinder gesund würden und er sie später wiedersehe. Auch das große gesellschaftliche Engagement für krebskranke Kinder empfindet er als beglückend.