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Nach jahrelangen lähmenden Querelen hoffen viele Betroffene auf einen Neuanfang.

Stuttgart - Als die Welt bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nach außen noch in Ordnung war, tagte der Verwaltungsrat viermal im Jahr. Meist nickte das fünfköpfige Gremium die wirtschaftlichen und verbraucherpolitischen Entscheidungen der Geschäftsführung ab. Seit 2010 hat der Takt der Zusammenkünfte des Kontrollorgans deutlich angezogen – auf einmal im Monat. Und aus ganz anderen Gründen. Die Kontrolleure wollen einen seit Jahren schwelenden Streit zwischen Teilen der Belegschaft und Vorstand Beate Weiser beenden. Persönliche Aversionen, Mobbing, Streit, Gerichtsverfahren, Kündigungen belasten die Arbeit, das Ansehen und den Etat der gemeinnützigen Einrichtung. „Wenn in einer Organisation dieser Größe innerhalb eines Jahren 18 Abmahnungen ausgesprochen werden, kann nicht mehr von einem normalen Verhältnis die Rede sein“, gesteht ein Insider. Ein anderer ärgert sich darüber, dass die Verdi-Betriebsgruppe unwahre Vorwürfe über die Chefin nach außen trage.

An diesem Montag ist erneut eine Sitzung der Aufsichtsräte angesagt, die erst vor sechs Wochen teils neu gewählt, teils im Amt bestätigt wurden. Die Neubesetzung wird als Chance gesehen, die Weichen neu zu stellen. Denn der Konflikt hat sich zugespitzt. Nicht nur, weil er die Arbeit der einst im bundesweiten Vergleich herausragenden Einrichtung lähmt, weil er ihrem guten Ruf schadet und weil allein die Kosten für Mediation und Abfindungen im vergangenen Jahr mit insgesamt 131 000 Euro zu Buche schlugen. Der Verbraucherzentrale, die mit mehr als zwei Millionen Euro jährlich aus dem Landesetat gefördert wird, drohen zudem Mittelkürzungen. Einen Teil der Gelder für 2012 hat das zuständige Ministerium für den ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) jedenfalls eingefroren. Dabei hatte der Landtag trotz Spargebot einer Erhöhung der Zuschüsse für den Verbraucherschutz zugestimmt. Doch das hält das MLR „derzeit nicht für verantwortbar“.

Nun hat das Ministerium zwar Einfluss auf den Geldfluss, nicht aber auf die inhaltliche Ausrichtung der Verbraucherzentrale. Das ist Sache des Verwaltungsrats, der auch den Vorstand bestellt. Dem Vernehmen nach sehen die fünf Kontrolleure nur eine Lösung, den gordischen Knoten zu entwirren: den Neuanfang. Und zwar auf beiden Seiten. Konkret bedeutet das: die Aufsichtsräte berufen den Vorstand ab, im Gegenzug machen die Arbeitnehmervertreter mit ihrem Rücktritt den Weg frei für Betriebsrats-Neuwahlen. Das war offenbar auch Thema einer Betriebsversammlung vor zehn Tagen.

Ängste im Betriebsrat

Über die Entlassung, hört man, sei man sich einig, für Letzteres ist Entgegenkommen des Betriebsrats gefragt. Und das scheint bisher nicht gesichert. Zum einen, so bestätigen mit den Verhältnissen vertraute Kreise, wird das Gremium wegen der inzwischen zurückgegangenen Belegschaft bei einer Neuwahl von sieben auf fünf Arbeitnehmer schrumpfen. Mindestens zwei der heutigen Betriebsräte wären bei einer vorgezogenen Neuwahl also draußen. Vielleicht sogar ohne Job, denn angesichts des Defizits von 270 000 Euro herrscht auch Furcht vor Stellenstreichungen. Eine weitere Version besagt, dass einige der Arbeitnehmervertreter dem Verwaltungsrat nicht trauten und es nicht wagten, durch ihren Rücktritt in Vorleistung zu gehen, solange der Vorstand weiter unter Vertrag stehe.

Tatsächlich haben die früheren Aufsichtsräte die schon vor Jahren datierten Hilferufe und Beschwerden von Mitarbeitern über ihre Chefin lange ignoriert. Bewegung kam erst in den Konflikt, als die Gewerkschaft Verdi 2010 mit handfesten Vorwürfen gegen Weiser an die Öffentlichkeit ging. Etwa zeitgleich nahm sich Nikolaos Sakellariou der Sache an, damals noch Stellvertreter im Verwaltungsrat, seit Anfang Mai 2012 dessen Vorsitzender.

Doch die Gespräche mit dem SPD-Landtagsabgeordneten – als Arbeitsrechtler und ehemaliger Betriebsratschef mit derartigen Auseinandersetzungen vertraut – fruchteten ebenso wenig wie eine von ihm und dem damaligen Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle (CDU) initiierte Mediation. Die Vermittlungsversuche zwischen Betriebsrat und Vorstand unter fachkundiger Moderation konnten die Fronten ebenso wenig aufbrechen wie die Einführung einer zweiten Hierarchieebene: Der Betriebsrat stimmte Neueinstellungen nicht zu, weil angeblich interne Bewerber nicht berücksichtigt wurden. Langjährige Beobachter wähnen indes uralte persönliche Aversionen zwischen Beate Weiser und einzelnen Betriebsratsmitgliedern als Motiv für die Bremsaktionen. Und diese Haltung könnte auch den Neustart blockieren: „Manche wollen nach außen einfach nicht als derjenige dastehen, der nachgegeben hat“, befürchten Insider.

Angriff auf den Minister

Als der Konfliktlösung abträglich sehen viele Beteiligte auch den Vorstoß durch das neue Verwaltungsratsmitglied Friedrich Bullinger (FDP) und dessen CDU-Landtagskollegen Wolfgang Reuther, aus dem Streit politisches Kapital zu schlagen. Die Oppositionspolitiker warfen Landwirtschafts- und Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) und seinen Ministerialen öffentlich vor, sie hätten einseitig in Personalangelegenheiten der Verbraucherzentrale eingegriffen. Bonde stellte klar: Die Landesregierung respektiere die Unabhängigkeit des eingetragenen Vereins. „Bei allem Wohlwollen ist sie aber auch verpflichtet, die sachgerechte und effiziente Verwendung von Steuermitteln zu gewährleisten.“

„Ein neuer Verwaltungsrat, ein neuer Betriebsrat und ein neuer Vorstand bieten die besten Voraussetzungen für einen Neuanfang“, sagt Sakellariou. „Es geht um mehr als 80 Arbeitsplätze.“ Weiser ließ ausrichten, sie wolle interne Angelegenheiten der Verbraucherzentrale nicht kommentieren.