Die Wildschweine wühlen auf Wiesen und Äckern den Boden auf, um nach Larven oder Engerlingen zu suchen. Foto: dpa-Zentralbild

Es gibt immer mehr Wildschweine. Die Schäden, die sie verursachen, haben daher zugenommen. Die Kreisjäger erlegten im vergangenen Jahr immerhin 818 Stück Schwarzwild. Laut dem Kreisjägermeister Claus Kissel werden Bachen und ihre Frischlinge verschont.

Böblingen - Wildschweine ziehen im März und April wieder ihre Nachkömmlinge auf. Sie suchen zunehmend Nahrung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und in Vorgärten – was enorme Verwüstungen nach sich zieht. Wie die Jäger des Problems Herr werden wollen, erklärt der Kreisjägermeister Claus Kissel. Auch wegen der drohenden Schweinepest sollen mehr Tiere erlegt werden.

Herr Kissel, wie sehr ist die Wildschwein-Population im Kreis angewachsen?
Es gibt keine Bestandszahlen für Schwarzwild. Tatsache ist aber, dass die Population ziemlich angestiegen ist. Eine Sau trägt bis zu zehn Junge. Deshalb werden natürlich auch immer mehr Tiere erlegt. Im Jagdjahr 1985/1986 wurden in Baden-Württemberg gerade mal 7000 Sauen geschossen, 30 Jahre später waren es schon 67 500. Der Abschuss ist nicht begrenzt, Schwarzwild ist schwer zu bejagen und großräumig unterwegs.
Sind die Tiere für den Menschen gefährlich?
Wildsauen sind eigentlich eher scheu. Sie gelten jedoch als wehrhaft. Unter besonderen Umständen greifen sie Menschen an, zum Beispiel, wenn eine Bache ihre Frischlinge bedroht sieht. Das kann in der Brut- und Aufzuchtzeit der Fall sein. Dann wird sie sich energisch verteidigen.
Die Tiere laufen über die Autobahn und lassen sich in Städten und Gemeinden blicken. Wann war das zuletzt der Fall?
In der vergangenen Woche ist ein 30 bis 40 Kilogramm schweres Wildschwein am Hasenplatz in Herrenberg gesichtet worden. Es flüchtete vor der Polizei und hinzugerufenen Jägern in eine Industriegebiet in Gültstein. Das kann durchaus gefährlich werden. Danach verschwand das Tier im Forst des Schönbuchs. Es konnte also seinen Verfolgern entkommen.
Wie kommt es denn, dass Wildsauen solche Ausflüge unternehmen?
Der Lebensraum der Tiere wird immer mehr eingeengt. Und wenn sich im Wald, etwa im Schönbuch, immer mehr Menschen aufhalten, weicht das Wild aus.
Sie sind als Jäger künftig also noch mehr gefordert.
Ja, die Jagd auf Wildschweine muss künftig ein Schwerpunkt sein. Zum einen wegen der steigenden Wildschäden und zum anderen, um die ausufernde Population einzudämmen. Wir haben im Landkreis Böblingen im Jagdjahr 2016/2017 immerhin 818 Stück Schwarzwild erlegt.
Reicht das?
Wenn Sie die Landwirte fragen, dann reicht das keinesfalls aus. Die Wildschweinschäden haben zuletzt ziemlich zugenommen. Das Schwarzwild geht bevorzugt auf Streuobstwiesen und Grünland, um nach Larven und Engerlingen zu suchen. Sie brauchen das tierische Eiweiß. Sie fressen aber auch gerne Mais und anderes Getreide.
Schießen Sie die Tiere auch wegen der drohenden Schweinepest?
In Deutschland gab es bisher noch keinen Krankheitsfall. Die Seuche ist für Menschen und andere Tiere völlig ungefährlich. Diese Krankheit ist jedoch beispielsweise im Baltikum und vereinzelt im Osten Tschechiens bereits vorgekommen. Man möchte in Deutschland vorbereitet sein. Da sind wir Jäger gefordert, den Wildschweinbestand so weit wie möglich zu dezimieren. Einfach, um einen etwaigen Übertragungsweg zu erschweren.
Können Sie das ganze Jahr über Wildschweine schießen?
Nach dem Gesetz galt seit dem Jahr 2015 für März und April Jagdruhe. Sie wurde nun wegen der Schweinepest aufgehoben. Sie war erlassen worden, um das Wild in der Hauptaufzuchtzeit zu schützen, insbesondere Elterntiere. Wir erlegen aber ohnehin keine Bache, die für ihre Frischlinge da sein muss. Unser Ziel sind heranwachsende Wildschweine.
Wie steht es mit dem Wolf im Landkreis?
Der Wolf ist sicher auch schon bei uns. In den letzten sechs Monaten wurde er in Baden-Württemberg zehn Mal gesichtet. Es wurden auch bereits Schafe, Ziegen und Rehe gerissen. Zwar nicht im Kreis, aber in Widdern bei Heilbronn und in Bad Wildbad im Schwarzwald. Der Wolf ist streng geschützt, er darf daher bekanntlich nicht gejagt werden.
Was gedenken Sie zu tun?
Wir müssen den Wolf besser überwachen und Aufzeichnungen über sein Vorkommen anfertigen, Und zwar europaweit. Langfristig sehe ich den Wolf als eine ganz normale Wildart, die kontrolliert gejagt werden muss – weil sonst sein Vorkommen zu groß und problematisch für Weidetiere, Menschen und das Wild wird.