Der normale Kunde nimmt die Bankkarte zum Geld abheben. Ein Computerfreak wählte in Esslingen einen ganz anderen, illegalen Weg, um an Bares zu kommen. Foto: dpa

Polizei und Banken haben es mit einer neuen Gaunermethode namens Jackpotting zu tun. In Esslingen und Berlin raubte ein Computerspezialist auf die selbe Art Geldautomaten aus. Mit einem USB-Stick.

Stuttgart - Wenn der Mann keinen Doppelgänger mit ähnlichem Fachwissen gehabt hat, dann war er am 9. August dieses Jahres sowohl in Esslingen als auch in Berlin unterwegs. An jenem Feriensonntag betrat er morgens um 6.50 Uhr den Kundenservicebereich einer Kreissparkassenfiliale in Esslingen. Eine knappe halbe Stunde lang hielt sich der Mann dort auf . Dabei telefonierte er mit einem weißen Handy und schraubte nebenbei einen Teil der Geräteabdeckung des Geldautomaten ab. So verschaffte er sich Zugang zu einem USB-Anschluss und damit den Zugriff auf das Computersystem des Automaten. Mit Hilfe eines per mobilem Datenträger aufgespielten Schadprogramms manipulierte der Mann die Steuerungselektronik. Der Rest war ganz einfach. Nach ein paar Tastenklicks spuckte der Automat einen größeren Geldbetrag aus.

Der gleiche Vorgang wiederholte sich 14 Stunden später im 600 Kilometer entfernten Berliner Stadtteil Hermsdorf. Diesmal suchte der Mann ein Postbank-Finanzzentrum auf. Festgehalten wurde der Vorgang sowohl in Esslingen als auch in der Hauptstadt von Überwachungskameras, denen sich Geldinstitute standardmäßig bedienen. Die Aufnahmen zeigen in beiden Fällen die mutmaßlich gleiche Person mit Dreitagebart, großer, schwarzumrandeter Brille und grauer Basecap auf dem Kopf.

Von Täter und Geld fehlen noch jede Spur

Vom Täter und vom Geld fehlen seither jede Spur. Jetzt hat die Polizei in Berlin einen richterlichen Beschluss zur Öffentlichkeitsfahndung erwirkt. Vorige Woche veröffentlichten die Behörden Bilder der Überwachungskameras und hoffen auf Hinweise aus der Bevölkerung. „Unsere hatten die bessere Qualität, deswegen wird hauptsächlich mit Bildern aus Esslingen gearbeitet“, sagt Polizeisprecherin Andrea Kopp vom Polizeipräsidium Reutlingen, das für den Kreis Esslingen zuständig ist. Die öffentliche Fahndung läuft bisher „weitgehend über Berlin“, wie Kopp bestätigt. „Aber die Kriminalbeamten in Baden-Württemberg und Berlin informieren sich natürlich gegenseitig. Denn wir gehen vom gleichen Täter aus“, sagt ein Berliner Polizeisprecher. Von einem „seit diesem Sommer in Deutschland bekannten Phänomen“ spricht das Bundeskriminalamt. Dabei ist Jackpotting international schon seit fünf Jahren ein Thema. Ein amerikanischer Experte führte den Trick 2010 bei einer Sicherheitskonferenz vor und nannte es „die sanfteste Art, eine Bank zu bestehlen“. Weil mit der Methode bestenfalls der komplette Geldbestand eines Automaten geleert werden könne, wurde das Synonym Jackpot gebräuchlich.

Weltweit gibt es ungefähr drei Millionen Geldautomaten. „Wir haben rund 25 000 in Deutschland im Einsatz“, sagt Sparkassen-Pressesprecher Stephan Schorn. Dass es nun ausgerechnet einen Automaten seines Instituts erwischte, hält Schorn für Zufall: „Wir haben die gleichen Sicherheitsstandards wie andere Banken auch.“ Der Unterschied zum Betrug mit manipulierten Bankkarten: Beim Jackpotting ist nicht der einzelne Kunde das Opfer, sondern die Bank selber.