Das Bild von Matthias Grohe bei der Trauerfeier auf dem Stuttgarter Waldfriedhof. Foto: /privat

Täglich sterben in Deutschland drei Menschen auf der Warteliste für Organspenden. Die Familie des verstorbenen Malo-Wirts Matthias Grohe ruft zu Spenden auf. Der Appell bringt viele zum Nachdenken, zum Beispiel Günther Oettinger.

In der Pandemie hat sich der Mangel an Spenderorganen drastisch verschärft. Mediziner schlagen Alarm. Laut dem Zentrum für Organtransplantation an der Universitätsklinik Essen sterben viele Patientinnen und Patienten, die auf der Warteliste stehen. Täglich seien dies drei Menschen. Der Stuttgarter Gastronom Matthias Grohe, der am 14. November an einem Hirnschlag verstorben ist, hat mit fünf gespendeten Organen gleich mehrere Leben gerettet. Seine Familie ruft in einem eindringlichen Appell dazu auf, seinem Beispiel zu folgen und sich Spenderausweise zu besorgen.

Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger, der für seine Rede bei der Trauerfeier am Montag auf dem Stuttgarter Waldfriedhof sehr gelobt worden ist, gehört zu der überwiegenden Mehrheit der Deutschen, die zu dieser Frage noch keine Entscheidung getroffen hat. „Matthias Grohe hat mich auf dieses Thema aufmerksam und nachdenklich gemacht“, sagt Oettinger gegenüber unserer Zeitung. Zum Jahresende will er nun mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn darüber beraten, wie sie sich verhalten sollten. „Was die Familie Grohe mit ihrem Appell veranlasst hat, kann man nicht stark genug bewundern“, erklärt der frühere Ministerpräsident.

Auch die frühere Kultusministerin Susanne Eisenmann hat die Entscheidung zum Spenderausweis bisher vor sich hergeschoben. „Meist verdrängt man es, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen“, sagt sie. Nach Grohes Beerdigung hat Eisenmann gleich mit ihrem Mann darüber gesprochen. Beide würden nun „ernsthaft darüber nachdenken“. Der Tod mache vielleicht „etwas Sinn“, wenn man anderen Menschen das Leben retten könnte.

Phil Hagebölling ist ebenfalls „ins Grüblen gekommen“, als er vom Appell der Familie Grohe las. Der 30-Jährige ist ein Freund von Lorenz Grohe, dem Sohn des Wirts. „Bisher fand ich die Vorstellung etwas makaber, wenn deine Organe nach deinem Tod weiterleben“, sagt der Geschäftsführer der Agentur Innovation Heroes, der ebenfalls seinen Vater in jungen Jahren verloren hat. Nach dem Aufruf der Hinterbliebenen des Wirts „tendiere ich eher zum Spenden“, erklärt Hagebölling.

„Der Gedanke ist schön, dass etwas von dir weiterlebt nach dem Tod“

Der Kunsthändler Frank Zimmermann dankt der Familie Grohe für den „Denkanstoß“. Intensiv hat er seit der Beerdigung darüber nachgedacht und sagt nun: „Der Gedanke ist eigentlich schön, dass etwas von dir weiterlebt nach deinem Tod.“

Festwirtin Sonja Merz hat sich noch nicht entschieden, ob sie sich – wie ihr Mann Konstantin Merz – einen Spenderausweis holt. Die Beerdigung und die Berichterstattung darüber haben sie tief berührt. „Es kann alles so schnell vorbei sein“, sagt sie, „wir sollten jeden einzelnen Moment genießen.“ Doch wenn man erst mal in das Hamsterrad des Alltags zurückkehre, vergesse man leider sehr schnell, worauf es wirklich ankomme im Leben.

„Vielleicht muss man über die Widerspruchslösung nachdenken“

Der Unternehmensberater Wolfgang Kuhn, der frühere Chef der Südwestbank, hat sich schon in früheren Jahren dazu entschieden, seine Organe zu spenden. „Mein Vater war ein Befürworter davon und hat uns überzeugt“, berichtet er. Kuhn verweist auf die Widerspruchslösung in Österreich. Dort würden alle Menschen automatisch zu Organspendern, sofern sie dem nicht ausdrücklich widersprechen. „Ich bin zwar für die Freiwilligkeit“, sagt Kuhn, „aber wenn sich der Organmangel weiter so verschärft, wird man wohl darüber in Deutschland nachdenken müssen.“

Der La-Commedia-Wirt Luigi Aracri hat sich bisher nicht entschieden, ob er im Fall seines Todes Organe spenden will. „Es ist wichtig, dass man zu Lebzeiten mit seiner Familie darüber spricht“, sagt er nach Grohes Beerdigung, „man muss eine Lösung finden, die für alle gut ist.“ Der 36-jährige Miguel Pinto, ebenfalls ein Freund von Lorenz Grohe, hat sich klar fürs Spenden entschieden. „Diese Meinung hatte ich schon vor dem Aufruf der Familie“, sagt er. Ganz toll findet er es, „wenn ein Mann, der fast doppelt so alt ist wie ich, so viele Menschenleben rettet.“