Vizepremier Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung sieht den Haushaltsentwurf als einen Sieg an. Foto: ANSA

Nach wochenlangem Hin und Her hat sich die Regierung in Rom auf einen Haushaltsentwurf geeinigt. Da jeder seine Wahlversprechen verwirklichen will, wird der Abbau des Schuldenbergs vertagt. Der blaue Brief aus Brüssel ist Italien damit schon sicher.

Rom - Italien hat mit seinen am Donnerstag veröffentlichen Haushaltsvorhaben Europa erneut eine Ohrfeige verpasst. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte am Freitag, dass er umgehend Gespräche mit Rom führen werde. „Wir haben kein Interesse an einer Krise zwischen der Kommission und Italien. Aber wir haben auch kein Interesse daran, dass Italien nicht die Regeln einhält und seine Staatsschulden nicht reduziert, die explosiv bleiben.“ Doch an Rom prallen solche Worte ab – die Regierungsparteien feiern sich lieber für das Ergebnis ihrer Verhandlungen.

Vor allem Luigi Di Maio macht Luftsprünge. Der Frontmann der Fünf-Sterne-Bewegung hatte darauf gedrungen, sich nicht dem Spardiktat der EU zu unterwerfen. Wochenlang hatte der parteilose Wirtschaftsminister Giovanni Tria erfolglos versucht, seine Kabinettskollegen davon zu überzeugen, die Ausgaben im Rahmen zu halten. Der Haushaltsplan sieht für die kommenden drei Jahre eine Neuverschuldung von je 2,4 Prozent der Wirtschaftleistung vor. Tria wollte diese auf höchstens 1,8 Prozent halten, was die Anleger und die europäischen Partner beruhigt hätte.

Steuersenkungen und Bürgereinkommen

Doch sowohl die populistische Fünf-Sterne-Bewegung als auch die mitregierende rechte Lega ließen sich nicht davon abbringen, ihre jeweiligen Wahlversprechen im Haushaltsplan zu platzieren. Kleine Unternehmen sollen nur noch einen fixen Steuersatz von 15 Prozent zahlen müssen. Die Steuern für die Bürger sollen bis zum Ende der Legislaturperiode gesenkt werden. Ebenfalls ein Steckenpferd von Vizepremier Matteo Salvinis von der Lega ist die geplante Abschaffung des Rentengesetzes Fornero, mit dem 2011 unter der Regierung Monti das Rentenalter angehoben worden war. Mit der so genannten Quote 100, wonach das Renteneintrittsalter und die Jahre der Erwerbstätigkeit in der Summe 100 ergeben, sollen Arbeitsplätze für Jüngere frei werden. Italien kämpft seit Jahren mit einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 30 Prozent.

Salvinis Koalitionspartner Luigi Di Maio freut sich vor allem darüber, dass er sein „Reddito di cittadinanza“, das Bürgereinkommen für die Armen des Landes, unterbringen konnte. Zehn Milliarden stünden dafür nun bereit, so Di Maio, „um etwa sechseinhalb Millionen Menschen ihre Zukunft zurückzugeben.“ Wer weniger als 780 Euro im Monat zur Verfügung habe, soll Geld vom Staat erhalten. Wer arbeitslos ist, muss nachweisen, auf Jobsuche zu sein.

Höhere Zinsen fressen mögliche Mehreinnahmen sofort auf

Ob diese Maßnahmen die italienische Wirtschaft ankurbeln werden, daran gibt es erhebliche Zweifel. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone weist eine Staatsverschuldung von fast 133 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf. Mit einer Neuverschuldung von 2,4 Prozent pro Jahr wird sie weiter wachsen. Anleger könnten das Vertrauen verlieren, der Spread - der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen - steigen, womit auch die Zinsen für Italien für neues Geld am Markt in die Höhe getrieben würden.

Der Spread stieg am Freitag bereits auf 276 Basispunkte. Vor den Wahlen im März dieses Jahres lag er stabil bei 130 Basispunkten. Selbst wenn die neuen Maßnahmen dazu führen sollten, dass die Wirtschaft wächst, werden mögliche Mehreinnahmen durch die höheren Zinsen schnell aufgefressen. Auch die Börse in Mailand musste am Freitag Einbußen hinnehmen. Der Leitindex FTSE Mib gab bis zum Nachmittag um mehr als vier Prozent nach.

Nach dem Gepolter der letzten Tage, versucht Di Maio die Gemüter nun zu beruhigen. Er werde den Dialog mit Brüssel suchen. Am 15. Oktober muss Italien seinen Haushaltsplan der EU-Kommission vorlegen, eine erste Stellungnahme der Brüsseler Behörde wird Ende November erwartet.