Silvio Berlusconi träumt davon, wieder das Sagen zu haben und verspricht den Wählern das Blaue vom Himmel. Foto: AP

Die Reformen scheinen in Italien zu greifen: Wirtschaftlich geht es langsam bergauf. Aber das mühsam Aufgebaute droht gerade wieder einzustürzen, denn am Sonntag wählen die Italiener eine neue Regierung.

Rom - Das Sorgenkind Europas lässt den Rest der Familie mal wieder zittern. Am Sonntag wird in Italien ein neues Parlament und damit eine neue Regierung gewählt. Die letzten vor der Wahl veröffentlichten Umfragen sehen eine Patt-Situation voraus. Bewahrheiten sich die Zahlen, werden sich drei in etwa gleich starke Blöcke gegenüberstehen, von denen keiner die notwendige Regierungsmehrheit erreicht. Dann beginnt das Schachern und Taktieren, bis ein Kompromiss gefunden ist. Dabei braucht das Land gerade nichts dringender, als stabile Verhältnisse. Die kleinen aber erfreulichen Erfolge, die die Wirtschaft Italiens derzeit vorweisen kann, stehen auf politisch sehr wackeligem Grund.

Die Zahlen, die die italienische Statistikbehörde am Donnerstag veröffentlicht hat, zeichnen ein positives Bild: Die Volkswirtschaft Italiens wächst wieder – und das nach der längsten Rezession, die das Land seit 1945 erlebt hat. Die Wirtschaftsleistung hat im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent zugelegt, der höchste Wert seit 2010. Die OECD erwartet für 2018 eine ähnliche Entwicklung. Auch die Verschuldung ist von vormals 133 auf 131,5 Prozent der Bruttoinlandproduktes endlich wieder gesunken. Das Staatsdefizit betrug im vergangenen Jahr 1,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes statt der von der Regierung erwarteten 2,1 Prozent. Auch die Zahl der Arbeitslosen hat in den vergangenen Monaten abgenommen. 2017 lag sie bei 10,8 Prozent und damit so niedrig wie zuletzt 2012. Noch immer sind 32,2 Prozent der Jugendlichen in Italien ohne Arbeit – aber auch das ist eine gute Nachricht, lag die Quote doch vor einigen Jahren doch noch bei 40 Prozent.

Die Erfolge kommen beim Wähler nicht an

Die Reformen, die unter der aktuellen Regierung des sozialdemokratischen Partito Democratico angestoßen wurden, scheinen zu greifen. Die wichtigste, kraftvollste Reform, die der Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi noch auf den Weg gebracht hat, ist die Neuregelung des Arbeitsrechtes, der so genannte Jobs Act. Rund eine Million Arbeitsplätze konnten so geschaffen werden. Jugend und Arbeit – eigentlich linke Themen. Doch der PD ist lieber in innerparteilichen Zankereien versunken, statt seine Erfolge im Wahlkampf in den Mittelpunkt zu stellen.

Das ist gefährlich. Denn bei den Wählern kommen die Erfolge noch nicht an. 8,4 Millionen Italiener leben in Armut. Von den eine Million Arbeitsplätzen, die neu entstanden sind, ist ein Großteil zeitlich befristet. Mit 1,34 Kindern pro Frau ist Italien Europas Schlusslicht, was die Geburtenrate angeht. Allein im Jahr 2016 haben geschätzt 285 000 Italiener ihr Land verlassen. Nach zehn Jahren Wirtschaftskrise wollen die Italiener nicht mehr vernünftig sein, zurückstecken und auf das langsame Greifen von Reformen hoffen. Diejenigen, die im Wahlkampf am meisten versprechen, ernten den meisten Applaus.

Berlusconi verspricht das Blaue vom Himmel

Die Fünf-Sterne-Bewegung ist kurz vor den Wahlen mit 27 Prozent die stärkste Partei in den Umfragen. Und auch Silvio Berlusconi schafft es, mit denselben leeren Versprechungen wie vor 25 Jahren, die verzweifelten Italiener auf seine Seite zu ziehen. Er verspricht einen Steuersatz von 23 Prozent für alle und eine Mindestrente von 1000 Euro. Was fehlt: eine seriöse Gegenfinanzierung.

Mit den Wahlen am Sonntag läuft die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone Gefahr, das mühsam Aufgebaute wieder einzureißen. Dabei müssten gerade jetzt die Reformen weiter vorangetrieben werden. Ineffiziente Bürokratie und langwierige Justizverfahren schrecken ausländische Investoren noch immer ab. Der aufgeblasene Bankenapparat wird zwar gerade entschlackt, Filialen werden geschlossen, Stellen abgebaut. Doch viele Häuser sind noch immer marode, Mittelständler haben es schwer, einen Kredit zu bekommen. Es würde Italien gut tun, könnte der derzeitige Ministerpräsident Paolo Gentiloni das Land in seiner ruhigen aber effektiven Art weiterregieren. Doch seine Partei PD liegt in den Umfragen bei gerade einmal 23 Prozent. Und damit hinter denjenigen, die lauter schreien.