Handgearbeitete Masken von Mario Belloni: Verkleiden, ohne sich in eine Rolle zu begeben. Foto: Sobik

Karneval in Venedig: Ein Hausbesuch bei Mario Belloni, der die berühmten, farbenprächtigen Masken noch in Handarbeit herstellt.

Venedig - Tom Cruise hat eine gekauft. Obwohl er gerade nicht von feindlichen Agenten gejagt wurde und womöglich Tarnung gebraucht hätte. Der Mann aus Hollywood war ganz privat in Venedig und wollte einfach nur ein paar Masken haben. Nicht irgendeine aus der Grabbelkiste mit winzigkleinem „made in China“-Schriftzug auf der Rückseite, sondern eine handgemachte. Eine von Mario Belloni, der schon für US-Regisseur Stanley Kubrick gearbeitet hat. Und so ging er über diverse Brücken und schlüpfte schließlich durch die Tür in den kleinen Laden im Dorsoduro-Viertel, wählte aus, zahlte mit Kreditkarte, verschwand wieder im Gewühl der Gassen - und freute sich so über die Shopping-Ausbeute, dass er Signore Belloni noch schnell ein Autogramm daließ. Es hängt heute gerahmt im Schaufenster. Und dabei hatte Venedigs Maskenmann gar nicht gewusst, mit wem er es zu tun hatte, bis die Kreditkarte ins Spiel kam . . .

"Unsere Masken befeuern die Fantasie"

Mario Belloni lacht heute darüber, wenn er die Anekdote erzählt und zugleich kaum aufschaut. Voller Tempo klebt, knickt und walzt er Wollfilzpapier Schicht über Schicht auf einen Rohling, bis daraus wieder eine dieser schmalen Masken geworden ist, die man vor Augen und Nase befestigt. Sie sind Inbegriff des stillen Karnevals von Venedig, wo es nicht um Tanzen und Singen, um Umzugswagen und Karamellenregen geht, sondern eher ums Künstlerische, ums Sinnliche, ums Verkleiden, ohne sich in eine konkrete Rolle zu begeben. Es geht um die Ästhetik des Augenblicks. Und immer in dieser Stadt mit ihren wiederkehrenden Überflutungen in der Lagune an der nördlichen Adria auch um Melancholie, um Schwermut. Wer in Venedig Karneval mitfeiert, einen Tag lang mit glitzerndem Umhang und Rüschenhemd und vor allem der Maske über die Rialto-Brücke, den Markusplatz und vorbei am Dogenpalast Richtung Canal Grande flaniert, der geht nicht als Pirat oder Cowboy, sondern als Phantom, als flüchtiger Moment, als Gruß aus einer anderen Zeit. „Unsere Masken“, sagt Mario Belloni, „sollen die Fantasie befeuern.“ Und: „Dabei ist unser Karneval von heute eigentlich eine Erfindung der Gegenwart.“ Tatsächlich ist erst zu Beginn der 1980er Jahre eine Tradition gezielt wiederbelebt und auf die Faschingstage zugespitzt worden. Die Idee wurde schnell zu einem Riesenerfolg - auch zum Vorteil von Leuten wie Mario Belloni, die in traditionell überlieferter Technik Masken mit Hakennase, spitzem Mund und geschwungenen Augenbrauen erschaffen und an Bemalerinnen weiterreichen, die daraus mit feinem Pinsel kleine Kunstwerke vollenden - jedes ein Unikat.

In Venedig war es im 17. und 18. Jahrhundert Sitte, sich in der Zeit von Oktober bis in den Frühling hinein zu maskieren - erst beim Theaterbesuch, dann auch auf den Straßen. In Spielkasinos war es sogar Vorschrift, das Gesicht zu verbergen. Der Zauber endete jäh mit der Herrschaft der Habsburger über Venetien. Sie verboten jedwede Maskerade, der Brauch geriet in Vergessenheit. Und was einst fast ein halbes Jahr lang praktiziert wurde, kulminiert nun stets vor Aschermittwoch. Ob er eine Lieblingsmaske hat? Belloni lacht. „Den Harlekin mit der Hakennase.“ Wann er sie trägt? „Nur nach Dienstschluss“, sagt er und lacht wieder. „Nie in der Werkstatt. Und nicht an den Faschingstagen.“ Bei seiner Arbeit lässt er sich unterdessen über die Schulter schauen, sogar Kurse bietet er inzwischen an. Prominenter Besuch war übrigens neulich wieder im Laden: Diesmal kam Leonardo DiCaprio. Weil er die Unterschrift von Tom Cruise im Schaufenster gesehen hat. Er kaufte ebenfalls im Maskenladen ein. Er ließ einen unterschriebenen Zettel da, der nun ebenfalls aushängt - als Werbung, falls mal wieder ein Topschauspieler aus Hollywood vorbeiläuft.