It’s their life: Jon Bon Jovi mit einem weiblichen Fan auf der Bühne des Kreuzfahrtschiffes. Foto: Will Byington

Im Hafen von Palma de Mallorca geht der US-Sänger auf die „Norwegian Pearl“, um auf hoher See für seine Fans Konzerte zu geben. Cruise-Partys mit Stars zum Anfassen werden immer beliebter – auch in Deutschland.

Barcelona/Palma de Mallorca - Es soll Leute gegeben haben, die sofort aus der Dusche sprangen, als die Lautsprecheransage in ihre Kabine dröhnte. „Jon ist auf dem Weg zum Hafen. Er wird in 20 Minuten eintreffen“, teilte die freundliche Frauenstimme mit. Gemeint ist Jon Bon Jovi (57), seit 36 Jahren Frontmann und Songschreiber der von ihm gegründeten Stadionrockband Bon Jovi. Nur ist das hier kein Stadion in einer Weltmetropole, sondern das Kreuzfahrtschiff „Norwegian Pearl“ im Mittelmeer, das mit 2000 Passagieren gefüllt ist, von denen die meisten leidenschaftliche Fans des Musikers aus New Jersey sind – so wie der Brite Paul Pullman (52), den die Band 1984 noch vor ihrem Durchbruch mit dem zum Wasserthema passenden „Slippery When Wet“ betört hat. Aufgrund seiner Lookalike-Optik ist er ein beliebtes Fotomotiv an Bord: „Ich bin jetzt schon bei Nummer 33“, sagt er schmunzelnd.

Intime Fan-Events, so genannte „Runaways“, veranstaltet Bon Jovi schon seit Jahren, aber der Event auf dem offenen Meer ist neu und als einmalige Sache geplant. Als der schwarze Van auf den Steg des Kreuzfahrtterminals in Palma de Mallorca einbiegt, sind Reling und Balkone des Schiffs von Anhängern gesäumt. Jubel brandet auf, und manche halten ihre selbstgemachten Willkommensplakate in die Höhe, als John Francis Bongiovi Jr. in T-Shirt und mit Sonnenbrille auf der Nase aus der Karosse steigt.

Mit Engelszungen zum „Runaway“ überredet

„Jon ist der einzige Mensch auf der Welt, der ein Kreuzfahrtschiff wie ein ‚Uber’ benutzt“, hatte Matt Bongiovi zuvor bei einer Talkrunde im Theater des Schiffs gewitzelt. Er macht keinen Hehl daraus, dass er seinen älteren Bruder mit Engelszungen zu diesem „Runaway to Paradise“ überreden musste: „Dass Jon nach den Konzerten das Schiff wieder verlassen kann, ist unser Kompromiss“, so Bongiovi, der 25 Jahre zum Managementteam seines Bruders gehörte. In einer Blase zu existieren, sei nichts für den Sänger und Schauspieler: „Jon hängt nachts nicht an der Bar ab“ – weshalb auf der viertägigen Cruise nun zwei kostspielige technische Stopps eingelegt werden müssen, um den Musiker aufzulesen.

„Das ist auch für uns das erste Mal, dass der Künstler nicht an Bord übernachtet“, sagt Anthony Diaz vom Veranstalter Sixthman. Seit 18 Jahren schickt er Musiker auf See, getreu dem Firmenmotto „Live Loud“. 130 Themen-Cruises sind bereits zustande gekommen. „Mit Kiss stechen wir im Oktober zum neunten Mal in See, Kid Rock ist jetzt beim zehnten Cruise, Joe Bonamassa beim sechsten. Es läuft in den Staaten. Und wir glauben: Was in Miami funktioniert, kann doch auch in Barcelona klappen.“ Bei der Expansion nach Europa kommt Sixthman die Partnerschaft mit der international operierenden Norwegian Cruise Line zu Gute: „Es gibt nicht viele Schiffe mit einem Pooldeck, das eine Bühne und gleichzeitig 3000 Leute tragen kann.“

Doch auch bei deutschen Reedereien werden Musik-Kreuzfahrten immer beliebter. Ob Kelly Family, David Garrett, Johannes Oerding oder die Fantastischen Vier – in den kommenden Monaten singen sie alle auf dem Meer. Die neunte „Full Metal Cruise“ und der siebte „Rockliner“ mit Udo Lindenberg sind ebenfalls buchbar. Mit „Stars at Sea“ hat sich gar eine Marke für Event-Kreuzfahrten etabliert. Ein Unterschied zum Sixthman-Angebot: Hier bleiben Deutschsprachige meist unter sich.

Ein Kuss für Jon Bon Jovi

Beim Jon-Bon-Jovi-Cruise sind es Menschen aus 53 Ländern, die sich über ihre Musik verbinden, darunter 10 Prozent Deutsche. Rührend, wie Fans aus Brasilien, Mexiko, Südafrika, Australien, Japan, USA und Europa an Bord zu Freunden werden. Manche feiern ihren Hochzeits – oder Geburtstag, andere wollen nur ihrem Idol so nah wie möglich kommen. „Wenn Künstler mit uns auf Cruise gehen wollen, aber die Nähe zu Fans ablehnen, dann arbeiten wir nicht mit ihnen zusammen“, betont Diaz.

Jon Bon Jovi ist ein Paradebeispiel, wenn es darum geht, einen Family-Vibe herzustellen. Neben seinem Bruder ist auch sein Sohn Jesse (24) mit an Bord. „Wenn ich in New York durch die Straßen gehe, fragt mich niemand nach einem Selfie. Aber es ist Teil der Cruise“, weiß Jesse. Das Hauptrestaurant der „Norwegian Pearl“ wurde kurzerhand zur „Soul Kitchen“, so wie das 2011 eröffnete Restaurant von Jon Bon Jovi in New Jersey, in denen sich Menschen in finanziellen Nöten ihr Essen verdienen können. Jeder, der während der Cruise hier speist, spendet automatisch an die Jon Bon Jovi Soul Foundation. „Thank you for making this world a better place“, steht auf einem Zettel an der Eingangstür.

Dem Star scheint das Wohl der Gäste eine Herzensangelegenheit zu sein: Als sein akustisches Storytelling-Konzert aufgrund schlechtem Wetters vom Außenbereich ins intimere Theater verlegt werden muss, gibt er zwei Konzerte statt einem und beantwortet Fragen der Fans. Eine junge Frau stürmt die Bühne, um ihrem Lieblingssänger einen Kuss auf den Mund zu geben – er handhabt die Situation tapfer. Und man hat das Gefühl: Privater und authentischer kann man den Weltstar kaum kennenlernen, auch nicht wenn man das etwa 900 Dollar teurere „Gold Package“ gebucht hat, das ein Foto mit Jon Bon Jovi vorsieht. Nach jedem der beiden Konzertabende stehen etwa 400 Fans dafür Schlange. Nach 3 bis 10 Sekunden ist die Begegnung mit dem Idol schon wieder vorbei. Beschwerden hört man keine. Die Fans werden auf einer Woge der Euphorie getragen.

Bei seiner Open-Air-Rockshow mit der Begleitband Kings Of Suburbia bittet Jon Bon Jovi für Hits wie „It’s my Life“, das man an den vier Tagen etwa drei Dutzend Mal hört, weibliche Fans zum Duett auf die Bühne. Für eine Umarmung der Rollstuhlfahrer nimmt er freudestrahlend ein Bad in der Menge in Kauf. Auch aus Veranstaltersicht sind damit sämtliche Erwartungen erfüllt.