Auch IT-Fachkräfte sind Mangelware. Dass schnelle Weiterbildungen eine Lösung sind, wird im Kreis Esslingen zumindest bezweifelt. Foto: dpa/Oliver Berg

Laut einer aktuellen Studie wollen viele Unternehmen ihre Beschäftigten zu IT-Fachkräften fortbilden. Im Kreis Esslingen gibt es aber Bedenken, ob das in diesem sensiblen Bereich sinnvoll ist.

Ob in der Pflege oder im Dienstleistungsbereich, ob im Handwerk oder in der Industrie: Es ist kein Geheimnis, dass mittlerweile auf dem gesamten Arbeitsmarkt ein drastischer Mangel an Fachkräften besteht. So gesehen kommt das Ergebnis einer Studie des Berliner Marktforschungsunternehmens Civey auch wenig überraschend, „dass in der IT-Branche ein gravierender Fachkräftemangel herrscht“. Bundesweit hätten lediglich 3,3 Prozent aller offenen IT-Stellen mit externen Fachkräften besetzt werden können, in Ballungsräumen liege die Quote noch deutlich darunter.

 

Deutlich überraschender ist da schon die Alternative, in der knapp 40 Prozent der befragten Firmen und Betriebe das größte Potenzial sehen, um dem Missstand zu begegnen: Durch die Umschulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen kurzfristige Mängel behoben werden. Allerdings wird dieses Mittel nur von gut einem Drittel der Befragten auch tatsächlich genutzt.

Sibylle Wirth: Festo ist da im Moment noch gut aufgestellt

Dafür gibt es, wie eine Nachfrage beim Automatisierungstechniker Pilz in Ostfildern zeigt, gute Gründe: „Es ist zwar unbestreitbar, dass dieser Mangel da ist“, sagt Martin Kurth, „allerdings bilden wir gerade in diesem Bereich lieber seriös aus“, fügt der Firmensprecher hinzu. So gebe es bei Pilz Jahr für Jahr zwei Auszubildende im Bereich Fachinformatik sowie zusätzlich mehrere duale Hochschulstudierende der Wirtschaftsinformatik. „Natürlich haben wir auch eine eigene Akademie, in der wir zahlreiche Fort- und Weiterbildungen durchführen“, ergänzt Kurth, „aber da geht’s eher um unsere internen Themen“.

Bei der Esslinger Festo KG sieht man sich, was IT-Fachkräfte angeht, „im Moment noch gut aufgestellt“, wie Sibylle Wirth aus der Abteilung Unternehmenskommunikation erklärt. Dennoch bereite man die Beschäftigten, „und das schon seit langem und ausdauernd“, über die Festo Didactic auf das Thema Industrie 4.0 natürlich vor. „Wir weisen dabei auf die enormen Möglichkeiten und Chancen, aber auch auf die Risiken und Herausforderungen hin“, betont Wirth.

Martin Kurth: Da ist eine Portion Erfahrung schon sehr wichtig

Der „interne Learning Campus“ ergänze diese Angebote und sorge für das Erlernen neuer Kompetenzen unter anderem in den Bereichen Software, künstliche Intelligenz und nachhaltige Konstruktion. „Das sind maßgeschneiderte Konzepte mit Bildungsbausteinen, die dafür sorgen, dass unsere Mitarbeitenden sich in der digitalisierten Arbeitswelt entfalten können“, fügt die Festo-Sprecherin hinzu. Beispielhaft verweist sie auf das Qualifizierungsprogramm im Vertrieb für Electric Automation oder auch die Kooperation mit der Hochschule Esslingen für „das solide Inhouse-Format Festo zertifizierter Software-Ingenieur“.

Dass diese Prozesse einige Zeit brauchen, steht außer Frage. Anders soll das bei einer in Zusammenhang mit der Civey-Studie empfohlenen Maßnahme aussehen. In sogenannten Bootcamps, so heißt es in einer Pressemitteilung, „werden auch fachfremde Mitarbeitende in nur drei Monaten zu einsatzfähigen IT-Expertinnen und -Experten ausbildet“. Daran hat Martin Kurth Zweifel: „Gerade wenn es um systemkritische und sicherheitsrelevante Dinge geht, kann ich IT-Fachkräfte nicht in ein paar Wochen fitmachen“, sagt der Pilz-Pressesprecher, „da ist eine Portion Erfahrung nach einer fundierten Ausbildung schon sehr wichtig“.

Ganz ähnlich schätzt Dieter Proß, Referatsleiter für Beruf und Qualifikation bei der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, die Situation ein: „Im IT- und Elektronik-Bereich ist es bei uns zwar nicht so schlimm.“ Man frage sich aber schon, wo die vielen jungen Leute, also die Fachkräfte in spe, nach der Coronapandemie alle geblieben seien.