Sojamilch gilt als nährstoffreichste pflanzliche Alternative zur Kuhmilch. Welche Lebensmittel enthalten Lactose und welche nicht? Wir zeigen Beispiele in unserer Bildergalerie. Foto: Fotolia/Keddy

Seit sich immer mehr Menschen vegan ernähren und Kuhmilch in Verruf gerät, wächst der Markt für Soja-, Reis- und Hafergetränke rasant. Eine sinnvolle Entwicklung?

Stuttgart - Ein Glas voll weißer Flüssigkeit auf dem Getränkekarton signalisiert dem Käufer auf den ersten Blick: Darin ist Milch. Aber nicht von der Kuh. Sie wird auf dem Werbeaufdruck immer häufiger durch Sojabohnen, Getreidekörner oder Mandeln ersetzt. Denn der Markt für Milchersatzgetränke wächst rasant.

Im ersten Halbjahr 2015 waren solche Alternativgetränke laut einer aktuellen Auswertung von Biovista, einem auf Biowaren spezialisiertes Marktforschungsunternehmen, eines der erfolgreichsten Produkte im Bio-Fachhandel. Der Umsatz von Soja-, Reis- und Hafermilch ist im Vergleich zum Vorjahr um 32 Prozent gestiegen.

„Das Umsatzwachstum von Biomilch hingegen entspricht mit knapp sechs Prozent gerade so der allgemeinen Marktentwicklung bei Lebensmittel“, sagt Fabian Ganz, Vertriebsleiter bei Biovista. Betrachtet man den Konsum von Kuhmilch insgesamt (Bio und herkömmlich) über einen längeren Zeitraum, etwa seit 1990, so ist der pro Kopf-Konsum gar um fast 10 Kilogramm gesunken: Von jährlich 67,7 Kilo auf 57,7 Kilo im Jahr 2014, so der Milchindustrie-Verband.

Im Internet kursieren wilde Mythen zur gefährlichen Milch

„Wir beobachten eine zunehmende Verunsicherung gegenüber einem Lebensmittel, welches seit Jahrtausenden ein zentraler Bestandteil unserer Ernährung ist“, sagt Bernhard Watzl, Ernährungswissenschaftler vom Max Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel. Dann empfiehlt er, eine kleine Internetsuche mit dem Stichwort „Milch“. Auf dem Bildschirm erscheinen Überschriften auf wie „Milch verursacht Osteoporose“, „Milch zerstört unseren Körper“, „Milch ist giftig“.

Auch die Berliner Ernährungswissenschaftlerin Dorle Grünewald-Funk kennt das schlechte Bild, welches derzeit vor allem in Internetforen von Milch gezeichnet wird. Sie nennt eine mögliche Erklärung: „Die derzeitige Modewelle in der Ernährung ist vegan. Dadurch wird die Milch stark betrachtet und es kursieren viele Mythen, die einfach nicht stimmen.“

Wirklich wissenschaftlich belegen lässt sich bislang nur folgendes: Wer 200 bis 300 Gramm Milchprodukte pro Tag zu sich nimmt, „profitiert nur vom Kalzium und den anderen Nährstoffen und wird nicht krank“, sag Bernhard Watzl. Erst ab einer übermäßigen Verzehrmenge von mehr als 1,2 Kilogramm täglich bestehe womöglich ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs bei Männern. Einzige Ausnahme: Es liegt eine Unverträglichkeit gegen Milchzucker vor. Dann können auch schon kleinere Mengen Kuhmilch, Joghurt oder Quark zu Bauchweh und Durchfall führen.

Sich lactosefrei zu ernähren gilt als schick

„Eine solche Lactose-Unverträglichkeit sollte man sich aber immer ärztlich bestätigen lassen, sonst verzichtet man umsonst auf die wertvollen Bestandteile der Milch“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Grünewald-Funk.

Sie beobachtet jedoch, dass genau dies häufig nicht geschieht. „Die Supermärkte bieten immer mehr lactosefreie Produkte an, sie werden als gesund beworben, also greifen die Kunden zu.“ Laut Bernhard Watzl sind die Zielgruppe vor allem gut gebildete Frauen. Denn: „Es gilt derzeit einfach als schick, sich lactosefrei zu ernähren. Das ist eher eine Frage des Lebensstils als der Gesundheit.“

Aber tut man seiner Gesundheit tatsächlich etwas Gutes, wenn man statt Kuhmilch zum Soja- oder Reisgetränk greift? „Kuhmilch enthält von Natur aus mehr Proteine, Vitamine, Kalzium, Zink und Jod als alle Ersatzprodukte“, sagt Ernährungswissenschaftler Watzl .

Pflanzliche Milchalternativen sind umweltfreundlicher als Kuhmilch

Wer auf tierische Produkte in der Ernährung verzichten möchte, sollte Sojamilch wählen. „Sie bietet noch die beste Nährstoffversorgung“, sagt Watzl. Was fehlt, etwa eine ausreichende Menge Calcium, wird den Produkten bei der Herstellung zugesetzt. Dorle Grünewald-Funk sieht das kritisch: „Wenn ich mich gesund ernähren möchte, dann finde ich es unlogisch, zu einem künstlich angereicherten Produkt zu greifen, obwohl die Milch von Natur aus all diese notwendigen Nährstoffe enthält. Und dafür bezahlt man dann oft noch den doppelten Preis.“

Zumindest beim Umweltschutz haben die Milchgegner die besseren Argumente aber tatsächlich auf ihrer Seite: Die Produktion von einem Liter Sojamilch verbraucht fünfmal weniger CO2 , dreimal weniger Land und zweieinhalb mal weniger Wasser verglichen mit der Produktion von einem Liter Kuhmilch.