Früh aufstehen lohnt sich: Blick in den Negev, aufgenommen in der Nähe des Kibbuz Sde Boker. Die Wüste umfasst 60 Prozent des Staatsgebietes von Israel. Foto: Tschepe

Die Negev-Wüste in Israel ist für Mountainbiker und Rennradfahrer ein reizvolles Gelände.

Jetzt bloß nicht den Anschluss verlieren. Menachem prescht mit seinem Mountainbike voraus, mitten durch die Negev-Wüste. Hinter ihm tanzen die Staubkörner in der Morgensonne. Wer hier schlappmacht, stünde ziemlich verlassen da – rechts karge Felsen, links eine Hochfläche. Hier und da wachsen ein paar Sträucher am Wegesrand, mitunter erspäht der Radler blaue und gelbe Blüten. Sonst nur Sand und Steine, so weit das Auge reicht. Der Rückweg in das Wüstenstädtchen Mitzpe Ramon und dem einzigartigen Blick in den Ramon-Krater wäre kaum auf eigene Faust zu finden. Menachem blickt sich aber immer wieder um und fragt "beseder?" – das hebräische Wort für alles in Ordnung. Ja, alles bestens. Keine Bange also, auf dieser Wüstentour geht keiner verloren.

Also weiter. Immer fest in die Pedale treten, genau auf den Weg schauen und – wann immer möglich – den Steinen und Felsbrocken ausweichen. Die Radler sind auf den schmalen Kamelpfaden der Beduinen unterwegs. Manche Gabelungen sind von Menachem und anderen israelischen Mountainbikern mit kleinen Steinhaufen gekennzeichnet worden. Sicher ist sicher. An diesem strahlenden Vormittag zeigt das Thermometer knapp 20 Grad Celsius. In der Nacht zuvor hat es geregnet, der Boden ist noch feucht. Deshalb leuchtet die Wüste: mal ocker, mal gelb, mal grün, gelegentlich rötlich braun. Nach zwei Stunden ist der erste Ausflug in den Negev beendet. Die Bikes werden gewaschen und stehen wieder bereit für den nächsten Ausflug auf wüsten Wegen.

Vor knapp vier Jahren haben Menachem Schreiber und seine Frau Aviva noch in der israelischen Metropolregion Tel Aviv gewohnt. In einer Stadt, die niemals schläft und ständig Partys feiert. Einige Freunde haben das Ehepaar wegen des Umzugs in das verschlafene Wüstenkaff für verrückt erklärt. Der 60-jährige Menachem hatte einen gut dotierten Posten bei einem israelischen Großkonzern, seine fünf Jahre jüngere Frau leitete ein eigenes Grafikbüro mit mehreren Angestellten. Dann haben die Schreibers ihr Hobby zum Beruf gemacht: Aviva und Menachem betreiben am Stadtrand von Mitzpe Ramon das Radlerhotel I-Bike. Zu den Stammgästen gehören nicht nur Radfahrer, auch andere Wüstenfreunde machen hier Station, Reiter zum Beispiel und Wanderer. Mitten durch das Wüstenstädtchen führt der Israel-Trail. Dieser etwa 800 Kilometer lange Wanderweg verbindet Dan im Norden des Heiligen Landes mit Eilat ganz im Süden.

Im Negev können Wanderer und Mountainbiker dem kalten europäischen Winter entfliehen und nebenbei biblische und historische Spuren sowie Meilensteine der neueren israelischen Geschichte erkunden. Der Ramon ist ein riesiger Erosionskrater– und er wird für den Mountainbiker zum göttlichen Abenteuerspielplatz: Der Anstieg auf den Mount Gevanim ist zwar knackig, wenig später wird der Ausblick vom Gipfel zum angemessenen Lohn für die schweißtreibenden Qualen bergauf. Wer ein bisschen Querfeldein-Erfahrung mitbringt und die detaillierte Karte des Kraters im Gepäck hat, der sollte auch auf unbegleiteten Touren nicht verloren gehen. Beeindruckend ist ein Trip auf der rund 2500 Jahre alten Gewürzstraße der Nabatäer, die an der ausgegrabenen Siedlung Saharonim vorbeiführt.

In dem 40 mal neun Kilometer großen Krater leben viele Tiere, Steinböcke und angeblich sogar Leoparden. Im Negev leben tatsächlich Leoparden? Menachem lacht nur milde und winkt ab. Er jedenfalls habe noch nie einen gesehen. Gefährlich seien die Mountainbike-Touren nur, wenn man im Sommer bei brütender Mittagshitze ohne ausreichend Wasser unterwegs ist. Von Mai bis September ist Nebensaison. Während dieser Monate sollten die Biker möglichst nur ganz früh am Morgen, spät am Abend oder mitten in der Nacht bei Mondlicht im Sattel sitzen. Israel hat sich zu einer ziemlich radverrückten Nation entwickelt. Längst sind nicht nur im Süden viele Radler unterwegs. Die Straßen in Tel Aviv werden zu jeder Tages- und Nachtzeit in Beschlag genommen – allerorten sind Rennräder, Mountainbikes, Falträder und neuerdings auch Elektrobikes zu sehen. Immer mehr sportlich ambitionierte Radfahrer entdecken den Negev, bis dato kommen fast ausnahmslos Israelis. Mehrere Hundert Wüstenkilometer wurden für Mountainbiker ausgeschildert.

Asaf Amihai hat vor ein paar Jahren rund 40 Kilometer nördlich von Mitzpe Ramon, in der Nähe von Sde Boker, Geofun eröffnet, einen Radladen mit Tourprogramm. Der 38-jährige Familienvater bietet unter anderem eine Wüstentour von Mitzpe Ramon nach Sde Boker an. Wer nach der Ausfahrt im Kibbuz Sde Boker haltmacht, der sollte den vor Ort produzierten Wüstenwein kosten und das Wohnhaus des ersten israelischen Ministerpräsidenten David Ben-Gurion besuchen. Der Politiker hatte sich 1963 nach Sde Boker zurückgezogen und bis zu seinem Tod im Jahr 1973 bescheiden in der Kollektivsiedlung gelebt. Sein Haus wurde als Museum so erhalten, wie es der legendäre Staatsmann verlassen hat. Neben Ben-Gurions Bett stehen seine ausgetretenen Hauslatschen, auf dem Tisch im Büro türmen sich die Bücher und Akten des Staatsmanns.

Radreisende, die auf eigene Faust den Negev erkunden, rollen auf kaum befahrenen, perfekt ausgebauten, mitunter pfeilgeraden Straßen mit breiten Seitenstreifen in Richtung Horizont. Von spontanen Ausflügen in die Wüste sollte man aber absehen. Vielerorts weisen Schilder auf das Militärgelände hin. Hier schießen die Soldaten mit ihren Panzern zu Übungszwecken mitunter scharf. Der Ramon-Krater ist für die Truppen allerdings tabu. Der Weg von Eilat am Roten Meer nach Beer Sheva im Norden ist recht beschwerlich, es geht tendenziell immer bergauf. Wer in umgekehrter Richtung fährt, tut sich leichter. Mitzpe Ramon muss so oder so erklommen werden, das Nest liegt auf fast 900 Höhenmetern. Im Winter kann es deshalb nachts frisch werden. Minusgrade sind jedoch selten.

Menachem und Aviva beherbergen gelegentlich israelische Rennradfahrer und Triathleten, die die Straßen zwischen Mitzpe Ramon und dem Jordantal, zwischen der ägyptischen Grenze und der Touristenhochburg Elat als Trainingsgebiet entdeckt haben. Der spät berufene Bike-Hotelier setzt wie viele seiner Kollegen darauf, dass sich auch in Europa herumspricht: Der Negev ist ein Geheimtipp.

Israel

Anreise
Die israelische Airline ELAL fliegt von München und Frankfurt nach Tel Aviv, Anschlussflüge nach Elat (ab 300 Euro). www.elal.com. Andere Fluggesellschaften fliegen zum Flughafen Ovda im Negev. EL AL transportiert Räder nach Anmeldung kostenfrei.

Radfahren

Im Norden und im Süden kann man prima radeln, vielerorts ist es aber bergig. In Israel gehören die Landstraßen den Autofahrern. Infos: www.bikeisrael.com/eng. Auf Radreisen im Negev spezialisiert haben sich I-Bike in Mitzpe Ramon, www.ibike.co.il und Geofun, www.geofun.co.il. Die Veranstalter organisieren Touren, geben Tipps, verleihen Räder.

Sicherheit
2011 war das erfolgreichste Tourismusjahr des Landes. Wer die palästinensischen Gebiete meidet, der dürfte so sicher sein wie in Europa. Viele Israelis sagen, der menschenleere Negev sei einer der sichersten Orte der Welt.

Preise
Israel ist kein Billigreiseland, Urlauber müssen mit ähnlichen Preisen wie in Deutschland rechnen. Das Nationalgericht Falafel, frittierte Kichererbsenbällchen, kostet am Straßenrand etwa zwei Euro. Ein Bier oder eine Cola ebenfalls zwei Euro.

Unterkunft
Das Doppelzimmer mit reichhaltigem Frühstück kostet im Bike-Hotel in Mitzpe Ramon pro Person rund 50 Euro. Viele Jugendherbergen bieten ebenfalls Zimmer an, pro Person mit Frühstück für etwa 40 Euro.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten Radreisende, die im Negev unterwegs sind, einen Tagesausflug mit dem Bus nach Jerusalem machen. Auf keinen Fall sollten Urlauber Bedenken haben, als Deutsche allein in Israel zu reisen. Man trifft allerorten nette, hilfsbereite Menschen.

Auskunft
Israelisches Tourismusministerium: www.goisrael.com